Was bisher geschah
und beenden mit einer zehnjährigen Besatzung den dortigen Terror: Im Rahmen eines Systems, das als Steinzeitkommunismus bezeichnet worden ist, hatte Pol Pot rund zwei Millionen seiner Landsleute auf grausamste Weise ermorden lassen. Dennoch unterstützt China die Roten Khmer im Guerilla-Kampf noch jahrelang. 1979 greift China Vietnam in einem »Erziehungsfeldzug« an, da man die neue Vormacht in Indochina kleinhalten will.
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Ein vietnamesisches Mädchen flieht mit schweren Verbrennungen vor einem Angriff der Südvietnamesen und Amerikaner mit Napalmbomben. Das Pressefoto von 1972 ist zu einer ikone über das Grauen moderner Kriege geworden. Die Soldaten laufen offenbar ungerührt neben dem Mädchen Kim Phúc her. Der Fotograf Nick Út brachte das Kind ins Krankenhaus und rettete ihm so das Leben.
Der 30-jährige Krieg hat Vietnam zwar unabhängig gemacht, aber nicht politisch frei. Für die USA hat der Vietnamkrieg die bittere Einsicht gebracht, dass auch für eine Supermacht die Möglichkeiten der Einflussnahme und Machtausübung nicht unbegrenzt sind. Man lernt sozusagen aus den Fehlern, geht von nun an auf diskretere Weise vor und schont die eigenen Truppen. Das gilt für den von der CIA gestützten Staatsstreich in Chile 1973 gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende und die Einsetzung des Diktators Pinochet, unter dessen Herrschaft Zehntausende von Oppositionellen gefoltert werden und Tausende verschwinden. Das gilt weiterhin für die Finanzierung und Ausbildung von Contras, die in den achtziger Jahren in Nicaragua einen Bürgerkrieg gegen die regierenden Sandinisten führen. Überschaubar bleiben auch militärische Interventionen der USA wie in Grenada (1983) und Panama (1989) – und beim humanitär motivierten Einsatz im vom Bürgerkrieg zerrütteten Somalia 1992/1993 mit UNO-Mandat.
Während des Golfkrieges 1990/91 gegen den Irak beherzigt George Bush die Vietnam-Lektion dahingehend, dass man im Zweifel zur eigenen Sicherheit aus der Luft zuschlägt und die Medienberichterstattung zensiert. Schließlich hatten während des Vietnamkrieges die ständigen Fernseh- und Presseberichte über Verluste und Massaker dazu beigetragen, dass die Unterstützung des Engagements seitens der US-Bevölkerung schwand. Ein berühmtes Beispiel für die Macht der Bilder ist das Pressefoto des Mädchens Kim Phúc, das 1972 nackt weinend vor einem Napalmbomben-Angriff der Südvietnamesen und Amerikaner flieht. Derart publik gemachte Massaker und das Leid in Asien sind auch ein Anlass für die Formierung der 68er-Bewegung. Plötzlich erschallt bei Studentendemonstrationen mitten auf Europas Einkaufsstraßen der Kampfruf »Ho-Ho-Ho-Chi-Minh«.
Entkolonialisierung zu Hause: Frauenbewegung, Black Power, 68er – und die Popkultur
Zwar gibt es nicht die 68er, sondern eher eine Ansammlung lose verbundener oder konkurrierender Tendenzen. Ein gemeinsamer Nenner, abgesehen von der Tatsache, dass sich die 68er vorwiegend aus dem studentischen Milieu rekrutieren, besteht jedoch darin, dass man stärker durch den marxistischen Begriff der Entfremdung als den des Klassenkampfes inspiriert ist und die Gesellschaft stärker als in bisherigen Revolutionen vom Privaten her verändern will: durch antiautoritäre Erziehung, neue Formen des Zusammenlebens in Kommunen und WGs, Drogenexperimente, Aktionskunst, Popmusik, ausführliche Diskussionen – und schließlich den »langen Marsch durch die Institutionen«, die Übernahme von Machtpositionen in Politik und Medien durch 68er, wie sie Jahre später Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer gelingen wird.
Die Tradition der Politisierung des Privaten reicht weiter zurück als bis 1968. Heraus ragen die Frauenbewegung ab Beginn des 20. Jahrhunderts und die US-Bürgerrechtsbewegung für die Gleichberechtigung der Schwarzen ab Mitte der fünfziger Jahre. In dieser Zeit etablieren sich auch die Ideengeber der 68er, Existentialisten wie Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus sowie die britische Neue Linke, die einen Dritten Weg zwischen Marxismus und Sozialdemokratie sucht. In den USA vergleicht der Soziologe C. Wright Mills Manager in ihrem Walten mit »Halbgöttern«. Er beschreibt den militärisch-industriellen Komplex als Interessengemeinschaft von Staat beziehungsweise Politik, Armee und Wirtschaft und kritisiert deren wachsenden Einfluss auf die Universitäten.
Eine direkte Anregung für die späteren Studentenproteste sind die Aktionen
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