Was bisher geschah
der Zugang zum Rat der 500 dadurch erleichtert, dass man als Mitglied – wie in heutigen Parlamenten – ein Gehalt, sogenannte Diäten, als Ersatz für den Verdienstausfall im eigentlichen Beruf erhält, den man zeitweise vernachlässigen muss.
Zwar lässt sich bis heute nicht so genau sagen, wie demokratisch die Versammlungen sich wirklich gestalten; schwer einzuschätzen ist auch, wie gesetzestreu die Richter sind, die, bevor Gesetze in Stein gemeißelt werden, oft nach einer Art Gewohnheitsrecht entscheiden. Doch zumindest als ideales Modell ragt Athen im Rückblick heraus. Eine Vorbildfunktion kommt Athen auch dadurch zu, dass sich im Zeitalter des Perikles eine Art offene Gesellschaft mit einem relativ freien Meinungsaustausch entwickelt.
Wie eng gesteckt der Rahmen dennoch ist, zeigt allerdings der Fall des Philosophen und Reformpädagogen Sokrates (470 – 399 v. Chr.), der am Ende wegen seiner Freizügigkeit mit dem Tod bestraft wird. Er macht zunächst Furore, indem er auf der Straße Passanten mit scheinbar naiven Fragen in Diskussionen über das Gute und die Gerechtigkeit an sich verwickelt. Damit verschafft er ihnen Selbsterkenntnis und vermittelt zugleich die Grenzen des Wissens. Sokrates debattiert gerne und kritisiert unter anderen die Sophisten, die einflussreichen Weisheitslehrer, die für Geld spitzfindig ständig immer alles zerreden, sogar ethische Werte. Doch 399 v. Chr. wird er wegen »Zweifels an den Göttern Athens« und »Verführung der Jugend« zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt und stirbt den Vergiftungstod.
Versucht man sich Diskussionen, wie sie Sokrates auf der Straße führt, vorzustellen und auf vergleichbare heutige Situationen zu übertragen, ließe sich an ein Dorf denken, wo sich jeder kennt, oder an den Pausenhof einer Schule. Publizistischer Ruhm wird Sokrates, der lieber redet als schreibt, erst durch seinen Meisterschüler Platon (427 – 347 v. Chr.) zuteil. Er lässt Sokrates in seinen zahlreichen Dialogen zu Wort kommen. Allgemein durchdringt Platon die Dinge (und den Menschen) theoretisch, ermittelt sozusagen den Bauplan, das Prinzip von vielem, einschließlich des Göttlichen. Zugleich stellt er die Idee oft über die Dinge (und Menschen) selbst. Da er alles umfassend erörtert und das Denken in abstrakten Begriffen vorangebracht hat, meinen manche noch im 20. Jahrhundert, alle Philosophie nach ihm sei nur noch »eine Reihe von Fußnoten zu Platon« (Alfred N. Whitehead); andere dagegen finden, Platon habe etwa die Kunst in ein »begriffliches Gefängnis« gesperrt (Arthur C. Danto), das oft wenig Raum für das echte Leben lasse.
Immerhin behandelt Platon eine große Bandbreite an grundlegenden Fragen. So diskutiert er etwa den Eros, der letztlich die Liebe zu dem ist, was man selbst nicht hat – und ein faszinierender bis dämonischer Mittler zwischen Mensch und Gott, Weisheit und Torheit ( Symposion – Das Gastmahl) . Platon beschreibt aber auch den idealen Staat und die verzerrte Wahrnehmung der Realität durch die Menschen (Höhlengleichnis) sowie den Nutzen der Gymnastik und Musik, der Arithmetik und Geometrie für die Kriegskunst und für die Seele ( Der Staat) . Allerdings warnt er auch schon vor dem übertriebenen Einsatz der Dialektik als »eine Art Spielzeug« im Sinn von eitlen Scheindebatten, besonders unter jungen Leuten. Um das Jahr 387 gründet Platon im Heiligtum des Helden Akademos, einem Hain außerhalb von Athen, die erste Akademie der Welt. Wie sehr man derartige Wissens- und Diskussionsforen schätzt, dafür steht in Athen symbolisch der Parthenon, der schon im 5. Jahrhundert v. Chr. zu Ehren der Göttin der Weisheit Athene auf dem Tempelberg, der Akropolis, errichtet wird.
Zur Zeit der kulturellen Blüte Athens im 5. Jahrhundert gedeiht vieles, das heute Bestandteil der westlichen Kultur ist. Der Philosoph Demokrit etwa, ein Vorgänger von Aristoteles in Sachen systematischer Forschung, sieht die Vielheit und Veränderlichkeit der Wirklichkeit schon in ihrer Zusammensetzung aus Atomen begründet. Zur gleichen Zeit wird die Medizin mit Hippokrates (um 460 – 375 v. Chr.) wohl erstmals von den heiligen Praktiken der Schamanen und Geistheiler getrennt. Seine Lehre von den vier Körpersäften Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim und den entsprechenden vier Menschentypen beziehungsweise Temperamenten Sanguiniker (lebhaft, energetisch), Choleriker (aufbrausend), Melancholiker (trübsinnig) und Phlegmatiker (schwerfällig,
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