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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loel Zwecker
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der neue Glaube neuartige Perspektiven. Von all den Abenteuergeschichten über die Durchsetzung von Religionen als politischer Macht dürfte die des Christentums die verrückteste sein.
    Nachdem Jesus zu Augustus’ Zeiten angeblich als Straßenprediger und Wunderheiler aus Wasser Wein macht, sich für Arme, Aussätzige, Prostituierte und Ehebrecherinnen einsetzt und um 30 n. Chr. von Pontius Pilatus wegen Rebellion zum schändlichen Kreuzestod verurteilt wird, bleibt mit den Christen zunächst nur eine aus damaliger Sicht schräge Sekte des Judentums übrig. Die Mitglieder glauben an Christus, den »Gesalbten«, Messias und seine Wiederauferstehung. Erst nach Jesu Tod werden die vier Evangelien, bis heute fast die einzige Quelle über Jesu Leben, verfasst: das erste von Markus um 70, das letzte von Johannes um 125 n. Chr.
    Paulus, ein Jude mit römischem Bürgerrecht, wandelt sich schließlich vom Christenverfolger zum Glaubensfanatiker. Er macht aus der lockeren Gemeinschaft um 50 n. Chr. eine aggressive Missionsreligion. Unermüdlich tourt er im Namen des Herrn durch den östlichen Mittelmeerraum und schreibt Briefe an seine Gemeinden, die später Teil der Bibel werden. In ihnen propagiert er zur Stärkung der Moral den »inneren Menschen« gegen den »äußeren« vergänglichen (2. Korintherbrief 4,16-18). Im Vergleich zu anderen Religionen ist das Christentum langfristig wohl weniger von seinem Stifter geprägt als von seinen offiziellen Nachfolgern: den Aposteln, Päpsten und Kirchenlehrern.
    Einer der wirkungsmächtigsten Texte des Christentums ist die »Offenbarung des Johannes«. In dieser »Apokalypse« töten Engel »ein Drittel der Menschheit« und bekämpfen gemeinsam mit dem apokalyptischen Weib als fliegender Superfrau Drachen. Heuschrecken foltern in Gottes Auftrag die Menschheit. Es wird Gericht gehalten über die »Hure Babylon«, womit im weiteren Sinn Rom und die Gegner des Christentums gemeint sind. Am Ende kommt Jesus samt dem »neuen Jerusalem« auf die Erde, um eine »tausendjährige Herrschaft« anzutreten. Der Text hat über die Jahrhunderte viel Unheil angerichtet – mit seinen starken Bildern aber auch zum Reiz der Religion beigetragen.
    Bevor sich das Christentum Anfang des 4. Jahrhunderts dank Konstantin dem Großen von der Außenseitersekte zur Staatsreligion aufschwingt, folgt allerdings ein Reigen sehr unterschiedlicher Kaiser, von denen viele die Christen verfolgen. Dabei lassen sich drei Hauptgruppen unterscheiden, die ganz grob jeweils in das 1., 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gehören. 1.) Da sind zunächst das julisch-claudische Geschlecht mit Caligula und Nero und die Flavier mit Domitian. 2.) Seit Kaiser Nerva spricht man ab 96 bis 180 n. Chr. von Adoptivkaisern, die insgesamt als die »guten Kaiser« gelten, von einem stoischen Pflichtverständnis und einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit geleitet. 3.) Die dritte Gruppe von Herrschern nach Christi Geburt sind im Gegensatz dazu die insgesamt 35 Soldatenkaiser (235 – 284 n. Chr.), oft Söldner. Sie werden von einem Heer beziehungsweise ihren Truppen hochgeputscht und tragen zur finanziellen und kulturellen Auszehrung des Reiches bei.
    Unter den julisch-claudischen Kaisern ragt Caligula heraus. Als er etwa 40 n. Chr. keinen Sieg gegen Germanen erringen kann, müssen Kelten, die schon unterjocht sind, beim Triumphzug nach Rom mit gefärbten Haaren germanische Gefangene mimen, damit er nicht als Versager dasteht. Ein Blick auf Caligulas Schwester Agrippina die Jüngere (15 – 59 n. Chr.) legt die Vermutung nahe, dass römische Frauen zumindest etwas stärker politisch engagiert sind als griechische. Die Tochter des Germanicus, des Oberbefehlshabers in Germanien, heiratet in dritter Ehe Kaiser Claudius, tötet ihn aber angeblich mit einem giftigen Pilzgericht, um ihren 17-jähigen Sohn Nero auf den Thron zu bringen. Denn obwohl sie Kaiserin, »Augusta«, ist, darf sie als Frau nicht regieren.
    Sie wird allerdings ihrerseits von Nero (37 – 68 n. Chr.) ermordet. Ob er die erste große Christenverfolgung wirklich durch einen selbst gelegten, aber den Christen angehängten Brand in Rom »legitimiert«, ist nicht ganz geklärt. Als Musiker quält er seine Umgebung nicht einfach nur mit spontanen Gesängen wie Peter Ustinov in seiner Nero-Parodie im Film Quo vadis (1951). Er zwingt bis zu 5000 plebejische Claqueure stundenlang in seine Konzerte. Das Bild von den »verrückten« Kaisern, das bis heute unsere Vorstellung

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