Was bisher geschah
bestimmt, hat wiederum Sueton, der Schriftsteller, Anwalt und Kanzleichef Kaiser Hadrians, um 120 n. Chr. durch seine berühmten Kaiserviten mit geprägt. Sie sind eine Art Vorläufer des Boulevards. Da beschreibt er zum Beispiel eine Eigenheit von Kaiser Vitellius, der 69 n. Chr. im Vierkaiserjahr nach Neros erzwungenem Suizid an die Macht kommt. Er liebt eine freigelassene Sklavin so sehr, dass er ihren Speichel mit Honig vermischt täglich und in aller Öffentlichkeit als Heilmittel gegen ein Rachenleiden einnimmt.
Einerseits wird Rom im Inneren von Bürgerkriegen und kaiserlichen Mordkomplotten zerrüttet. Zugleich hat es beim Tod von Adoptivkaiser Trajan im Jahr 117 n. Chr. mit den Annektierungen Armeniens – dem Land mit der ersten christlichen Nationalkirche – und Mesopotamiens seine größte Ausdehnung erreicht. Sein Nachfolger Hadrian baut in Rom die Engelsburg und in Tivoli die Hadrianvilla. Er verzichtet zugunsten der Grenzsicherung auf Gebiete. Dafür sieht er in fast allen Provinzen persönlich nach dem Rechten – weshalb man ihn »Reisekaiser« nennt. Kein Wunder, dass sich bei all dem Kult um das Kaisertum wiederum der »Philosophenkaiser« Marc Aurel (121 – 180 n. Chr.) selbst ermahnt: »Pass auf, dass du nicht verkaiserst.«
Ein neues, christliches Ostrom – und die Germanenherrschaft in Westrom
Mit »Verkaiserung« meint Marc Aurel die Gefahr, den Blick für das Menschliche zu verlieren. Um dem entgegenzuwirken, schreibt er, vom ehemaligen Sklaven und Philosophen Epiktet beeinflusst, stoisch seine Selbstbetrachtungen. Zu einer üblen »Verkaiserung« kommt es aber spätestens dann, als im 3. Jahrhundert n. Chr. die brutalen Soldatenkaiser regieren, von denen angeblich nur einer eines natürlichen Todes stirbt. Seit Diocletian (um 240 – 312 n. Chr.), der die Zeit der Soldatenkaiser beendet und mit dem man den Beginn der Spätantike verbindet, ist der Kaiser nicht mehr princeps , sondern absoluter Herrscher und göttlich. Er trägt den Beinamen Iovius (»zu Jupiter gehörig«). Immerhin ist eine seiner Maßnahmen die Einführung des Maximaltarifs: Zum Schutz der ärmsten Bevölkerungsschichten lässt er für einige Waren Höchstpreise festsetzen, die niemand überschreiten darf. Zugleich entwickelt er ein orientalisches Hofzeremoniell mit gold- und edelsteinbesticktem Purpurgewand und verzierten Schuhen – eine Präsentation, die Cicero in seinen Reden gegen Catilina zu Zeiten der gefährdeten Republik als Zeichen von Dekadenz gegeißelt hatte. Unter Diocletian ist der Senat entmachtet. Diocletian schafft ein System mit vier Regenten im Kaiserrang, jeweils einen augustus und einen Stellvertreter, caesar , im Osten und im Westen des Reiches. Damit bereitet er die Teilung der Supermacht vor. Vollziehen wird sie der Ost-Kaiser Konstantin der Große im 4. Jahrhundert. Doch dafür etabliert er das Christentum als neue, zumindest ideell einheitsstiftende Macht.
Vor dem Sieg in der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen seinen Rivalen, den West-Kaiser Maxentius, hat Konstantin (um 280 – 337) eine Vision und nimmt daraufhin die Religion Christi an. Er macht den Geburtstag des alten Sonnengottes, den 25. Dezember, zu jenem von Jesus. Konstantin verdanken wir auch den Sonntag als Ruhetag. Er lässt die erste christliche Basilika in Rom erbauen – und verlegt den Kaisersitz von Rom nach Byzanz, dem heutigen Istanbul: 330 wird Konstantinopel als neue Hauptstadt eingeweiht. Zwar entbrennen schon fünf Jahre vor Gründung dieser ersten christlichen Metropole Streitereien unter Christen; so geht es darum, ob gemäß dem Arianismus des Arius von Alexandria Jesus gottähnlich sei oder aber gottgleich, wie der Kirchenlehrer Athanasius von Alexandria meint. Doch viel wichtiger ist, was passiert, nachdem sich das Konzept von der Gottgleichheit beim Konzil von Nicäa 325 und dem von Konstantinopel 381 durchsetzt (allerdings mit der Aufteilung Gottes in die Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist): 381 wird das Christentum von der – aus einer Kolonie importierten – Außenseitersekte zur Staatsreligion des Römischen Reiches.
So steil der Aufstieg des Christentums von einer Sekte zur zentralen politischen und gesellschaftlichen Macht in Europa via Rom ist, so schwierig gestalten sich seine Anfänge. Im Rückblick prägen Jesu Worte »Du bist Petrus (griech. petros = »Fels«), und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen« die Vorstellung, Apostel Petrus sei der erste Papst gewesen. Unter
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