Was bisher geschah
Erbfolgekrieg um das Reich der Habsburger bekriegen sich vor allem Frankreich und eine Allianz aus Österreich und England, dem es um eine balance of power in Europa geht. Obwohl Frankreich bis weit ins 18. Jahrhundert Vorbild für aufstrebende absolutistische Staaten wie Preußen und Russland ist, wird mit dem Spanischen Erbfolgekrieg vorerst – bis zum Auftritt Napoleons auf der politischen Bühne – das Ende des »Französischen Zeitalters« eingeläutet. So einigt man sich zwar 1713 im Frieden von Utrecht darauf, dass ein Enkel Ludwigs den spanischen Thron bekommt. Doch darf Spanien nicht in Personalunion mit Frankreich regiert werden; Österreich erhält Teile der Niederlande, England französische Kolonien.
Der Staat sind wir – Parlamentarismus in England
So wie die Tendenz zum Absolutismus in Frankreich lange vor Ludwig XIV. angelegt ist, gilt dies in England ähnlich für die historisch vielleicht größte Leistung des Inselvolkes neben der Popmusik: die Entwicklung einer parlamentarischen Kultur samt Gewaltenteilung und bürgerlichen Grundrechten. Steht schon in der Magna Carta von 1215, dass der Adel den Steuern des Königs zustimmen muss, können im Parlament im 14. Jahrhundert auch reiche Bürger mitreden. Der Weg zu demokratischen Ansätzen im heutigen Sinn führt allerdings über die englische Revolution im 17. Jahrhundert. Sie vollzieht sich im Vergleich zur Französischen Revolution des 18. Jahrhunderts schrittweise, als work in progress , und ist deshalb zunächst nicht so spektakulär.
Während die Französische Revolution in einem Land, das zuvor über ein Jahrhundert lang geschröpft und ausgepresst wurde, losbrechen wird und entsprechend brutaler ausfällt, verläuft sie in England, wo man seit langem einen Ausgleich zwischen Bürgertum und Adel sucht, weniger krass. Schon unter Jakob I. (James), dem ersten Herrscher der Stuarts, der England und Schottland 1603 zu Großbritannien vereint (ganz erst 1707 in der Act of Union vollzogen), zeichnen sich absolutistische Tendenzen ab. Sein Sohn Karl I. (Charles) regiert dann, obwohl er offiziell 1628 mit der Petition of Rights noch die Befugnisse des Parlaments bestätigt, zeitweise sogar ohne Parlament. Indem er die Katholikin Henrietta Maria von Frankreich heiratet, verärgert er zusätzlich die Protestanten beziehungsweise Puritaner (von engl. purity = Reinheit), die den Katholizismus und die anglikanische Kirche von Schnickschnack und Korruption reinigen wollen. So münden die religiösen Unstimmigkeiten und die Missachtung des Parlaments durch Karl I. 1642 in einen Bürgerkrieg zwischen König und Parlament. Es folgt ein Hin und Her zwischen Demokratie und Diktatur, verschiedenen Machtkonstellationen, teils diplomatisch, teils militärisch begründet.
Führt man sich die Etappen der Revolution vor Augen, kann man beispielhaft die schwere Geburt der Demokratie nachvollziehen und die Gefahren und Rückschläge, die ihr drohen: Den Bürgerkrieg gewinnt das Parlament dank Oliver Cromwell (1599 – 1658) und seines puritanisch disziplinierten Heeres. Am 30. Januar 1649 wird Karl I. auf Beschluss des Parlaments öffentlich enthauptet – und damit zum ersten Mal in der Geschichte ein König von seinem Volk derart gerichtet. England ist nun offiziell eine Republik und trägt den schönen Namen Commonwealth (1649 – 1660). Cromwell macht sein Land im Krieg gegen die Niederlande zur vorherrschenden Seemacht. Doch kürt er sich selbst zum Lord Protector auf Lebenszeit und regiert als Diktator und fundamentalistischer Sittenwächter.
So erscheint nach Cromwells Tod König Karl II., der im Mai 1660 gekrönt wird und mit dem Parlament kooperieren will, gar nicht so schlimm. Die Zeit der englischen Restauration ab 1660 erleben viele im Vergleich zu Cromwells puritanischer Kontroll-Republik als eine der katholischen Lebensfreude. Wenn sich das Parlament doch noch durchsetzt, liegt das daran, dass es Karls Nachfolger Jakob II. ab 1668 mit dem Katholizismus und seinen Alleingängen übertreibt. So ruft das Parlament 1688 den niederländischen Protestanten Wilhelm III. von Oranien samt Heer zu Hilfe. Jakob II. ergibt sich kampflos.
Ähnlich wie sein gleichnamiger Verwandter ein Jahrhundert zuvor im Befreiungskampf der Niederlande gegen Spanien springt Wilhelm III. von Oranien als eine Art Revolutionsdienstleister ein, und zwar gemäß einer Kompromissformel, die etwas für jeden bietet: von adeliger Herkunft, König genannt, vertraglich dem Parlament
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