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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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ist: nicht nur in der Geschichte des Hiob, sondern auch im Leiden Gottes um die Verlorenen bei Osee und Jeremias, im Leiden des von Gott berufenen Mittlers und Gottesknechts beim Deutero-Isaias und beim guten Hirten des Zacharias.
    »Nachdem Gott vorzeiten zu vielen Malen
    und auf vielerlei Weisen zu den Vätern gesprochen
    hat durch die Propheten, hat er am Ende
    dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn.« (Hebr 1,1f.)
    »Gott und das Leid« (1967), S.   27   –   43.

Gott als Anfang?
    Die Frage nach dem Anfang allen Seins ist eine Urfrage der Menschheit. Schon früh hat Hans Küng den Dialog mit Naturwissenschaftlern gesucht und beschreibt in diesem Text die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis von Naturwissenschaft und Theologie.
    Auf einem ganz kleinen Planeten am Rand einer der vielleicht 100   Milliarden Galaxien, deren jede in der Regel mehr als 10   Milliarden Sterne enthält, lebt seit erst zweihunderttausend Jahren die Menschheit. Unsere Teleskope reichen weit, aber sie haben Grenzen. Und selbst wenn wir immer weiter reichende Teleskope bauen, werden diese immer begrenzt bleiben durch den beschränkten kosmischen Horizont. Gibt es doch Galaxien, die jenseits unseres Sichthorizonts liegen: »Solche Galaxien sind nicht nur jetzt prinzipiell unbeobachtbar – sie werden für immer jenseits unseres Horizonts bleiben«, so der britische Royal Astronomer Sir Martin Rees . Der Mensch kann also das Allergrößte nicht fassen, kann seinen beschränkten kosmischen Horizont nicht wissenschaftlich konstatierend, sondern – so scheint es – höchstens spekulierend übersteigen.
    Doch mir geht es in diesem zweiten Kapitel weniger um kosmologische Spekulationen als um philosophisch-theologische Reflexionen. Wissen wir auch nicht oder noch nicht, wie die vier kosmischen Kräfte – die elektrodynamischen, die schwachen und starken Kräfte und die Schwerkraft – zusammenhängen, so vermögen wir vielleicht doch auch ohne eine »Weltformel« oder physikalische »Theorie für alles« zur Frage vorzudringen, was ein Anfang aller Dinge sein könnte.
    Die Frage nach dem Anfang der Anfänge
    Die Frage nach dem »Anfang« (griech. arché ) aller Dinge war schon für die alten Griechen ein Hauptproblem der Philosophie. Die älteren ionischen Naturphilosophen am Anfang des 6.   Jh. v.   Chr. nahmen ein einziges Urprinzip an, aus dem alle Dinge entstanden sind: Thales von Milet das Wasser, Anaximenes die Luft, Heraklit das Feuer, Anaximander aber das »Grenzenlose« (griech. ápeiron ) und »Göttliche« (griech. theion ). Dem Weltstoff setzt dann unter den jüngeren Naturphilosophen im 5.   Jh. v.   Chr. Anaxagoras den selbstständigen, weltordnenden »Geist« (griech. noús ) entgegen. Seither ist das Göttliche in der griechischen Philosophie präsent, ob es nun im 4.   Jh. von Platon als die Idee des Guten konzipiert wird oder von Aristoteles als unbewegter Beweger des Kosmos und letztes Ziel alles Strebens in der Wirklichkeit. Für die ersten (ebenfalls griechischen) christlichen Philosophen und Theologen (»Apologeten«) war es ohne allzu große begriffliche Anstrengung möglich, dieses Göttliche und diesen Geist mit dem Schöpfergott der Bibel zu identifizieren. Doch in der heutigen Naturwissenschaft stellt sich die Problematik anders dar:
    Die Anfangssingularität
    Es ist durchaus verständlich: Physiker lieben in der Naturordnung das Einzigartige, das Singuläre , nicht. Singularität reizt sie vielmehr zu untersuchen, ob sich nicht gerade diese Singularität in Gesetzmäßigkeit auflösen, in das Gefüge der bewährten physikalischen Gesetze einordnen lasse. Deren Charakteristikum ist nicht der Einzelfall, sondern die Wiederholung. Und solche Auflösung der Singularität ist ja in vielen Fällen durchaus gelungen.
    Aber bei der Anfangssingularität geht es um etwas grundsätzlich anderes, um etwas, was sich allen physikalischen Begriffen und Gesetzen entzieht. Schon eine 100stel Sekunde nach dem Urknall gelten wohlbekannte Gesetze der Physik. Aber für die Zeit 0 und für die Ursache der geheimnisvollen Urexplosion ist der Physiker in einer gewissen Verlegenheit: Wie soll er erklären, daß in einer winzigen Einheit von unendlicher Dichte, Temperatur und Anfangsschwung das ganze Potential für hundert Milliarden Galaxien enthalten war. Nur wenn er die Anfangsbedingungen erklären kann, kann er die Besonderheit unseres Universums erklären. Muß sich der Physiker, wenn er auf eine Antwort nicht

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