Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
über Gläubigkeit macht und feststellt, es seien alles Atheisten. Hier wäre überall genauer nachzufragen, wie sich Wissenschaftler den Gott denken, den sie ablehnen – oder, vielleicht in anderer Gestalt, annehmen. Manche lehnen faktisch nicht Gott, sondern eine Karikatur von Gott ab, in der kein einigermaßen gebildeter Gottgläubiger seinen Gott erkennen würde.
Eine Alternative zum Wort Gott?
Auch viele Naturwissenschaftler stoßen sich verständlicherweise am Wort »Gott«. Gewiß kann man statt von »Gott« auch von »Gottheit« oder vom »Göttlichen« reden. Der Name »Gott« wird oft anthropomorph mißverstanden und für politische, kommerzielle, militärische, kirchliche Zwecke mißbraucht. Doch sollen wir wegen allen Mißbrauchs und Glaubwürdigkeitsmangels so mancher offizieller Glaubensvertreter und Glaubensinstitutionen das Wort »Gott« schlechterdings fallen lassen?
Man wird oft gefragt: »Wie bringen Sie das fertig, so Mal um Mal ›Gott‹ zu sagen? Wie können Sie erwarten, daß Ihre Leser das Wort in der Bedeutung aufnehmen, in der Sie es aufgenommen wissen wollen? … Welches Wort der Menschensprache ist so mißbraucht, so befleckt, so geschändet worden wie dieses?« Soll man nicht besser von Gott schweigen?
Genau auf diese Frage antwortet der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber : »Ja, es ist das beladenste aller Menschenworte. Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden. Gerade deshalb darf ich darauf nicht verzichten. Die Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt; es liegt im Staub und trägt ihrer aller Last. Die Geschlechter der Menschen mit ihren Religionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller Fingerspur und ihrer aller Blut. Wo fände ich ein Wort, das ihm gliche, um das Höchste zu bezeichnen! Nähme ich den reinsten, funkelndsten Begriff aus der innersten Schatzkammer der Philosophen, ich könnte darin doch nur ein unverbindliches Gedankenbild einfangen, nicht aber die Gegenwart dessen, den ich meine, dessen, den die Geschlechter der Menschen mit ihrem ungeheuren Leben und Sterben verehrt und erniedrigt haben …«
Deshalb Martin Bubers Schlußfolgerung: »Wir müssen die achten, die es verpönen, weil sie sich gegen das Unrecht und den Unfug auflehnen, die sich so gern auf die Ermächtigung durch ›Gott‹ berufen; aber wir dürfen es nicht preisgeben. Wie gut läßt es sich verstehen, daß manche vorschlagen, eine Zeit über von den ›letzten Dingen‹ zu schweigen, damit die mißbrauchten Worte erlöst werden! Aber so sind sie nicht zu erlösen. Wir können das Wort ›Gott‹ nicht reinwaschen, und wir können es nicht ganzmachen; aber wir können es, befleckt und zerfetzt wie es ist, vom Boden erheben und aufrichten über einer Stunde großer Sorge.«
Dies ist auch meine Überzeugung: Anstatt nicht mehr oder einfach wie bisher von Gott zu reden, käme heute gerade für Philosophen und Theologen alles darauf an zu lernen, behutsam neu von Gott zu reden! Dies auch angesichts der Tatsache, daß man gerade von Naturwissenschaftlern hören kann: »Ich bin kein Materialist. Es muß noch etwas anderes geben als Materie: Geist, Transzendenz, das Heilige, Göttliche. Aber mit dem personifizierten Gott, der da droben oder dort draußen ist, west, kann ich als Naturwissenschaftler wenig anfangen.« Niemand sollte sich daher von inquisitorischen »Gottesvertretern« abhalten lassen, neue Redeweisen von Gott zu erproben, damit der Kinderglauben erwachsen wird. Deshalb zuerst die Frage:
Gott – ein überirdisches Wesen?
Die Naturwissenschaften fordern dem Theologen manch harte Gedankenarbeit ab. Ich frage mich, ob umgekehrt nicht auch die Theologie dem Naturwissenschaftler, wenn es um ihr Zentrum geht, ein wenig Denkarbeit abfordern darf ?
Es gibt Physiker, die brauchen »Gott« als Metapher für Weltliches . »If you are religious, this is like looking at God«, so der amerikanische Astrophysiker George Smoot , als er die Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung (Echo des »Urknalls«) ankündigte. Dies klingt fromm, ist aber oberflächlich. Hier ist Gott eine Metapher für Weltliches, für Natur. So auch beim Nobelpreisträger Leon Lederman mit seinem Buchtitel »The God Particle«.
Vielmehr ist daran festzuhalten: Gott ist nicht identisch mit Kosmos ! Und Einstein hätte nicht derart unüberwindbare
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