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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Reflexionen und Demonstrationen: »Der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner moralischen Gesinnung so verwebt, daß, sowenig ich Gefahr laufe, die letztere einzubüßen, ebenso wenig besorge ich, daß mir der erste jemals entrissen werden könne«, so bezeugt Kant selbst am Ende seiner »Kritik der reinen Vernunft«.
    Wissenschaftliche Gottesbeweise aber sind nach Kant nicht möglich . Gott existiert nicht in Raum und Zeit, er ist daher nicht Gegenstand der Anschauung. Deshalb lassen sich keine Erkenntnisse von naturwissenschaftlicher Beweiskraft gewinnen und keine Urteile fällen, da diese auf Anschauung angewiesen sind. Die Gottesbeweise, auch die, welche Kant selber in seiner vorkritischen Phase vertreten hatte, sind faktisch gescheitert, nein, sie sind theoretisch gar nicht möglich. Auch die Frage nach einem Anfang der Welt in der Zeit läßt sich nach Kant nicht entscheiden. Warum nicht? »Alle unsere Schlüsse, die uns über das Feld möglicher Erfahrung hinausführen wollen«, sind »trüglich und grundlos«.
    Kant ist überzeugt: Die Vernunft spannt vergeblich ihre Flügel, um durch die Macht des Denkens über die Erscheinungswelt hinaus zu den »Dingen an sich« (denknotwendig, aber nicht durchschaubar!) zu gelangen oder gar zum wirklichen Gott vorzustoßen. Türme, die bis zum Himmel reichen, kann der Mensch nicht bauen, sondern nur Wohnhäuser, die für unsere Geschäfte auf der Ebene der Erfahrung gerade geräumig und hoch genug sind! Es gibt daher keinen Gottesbeweis, der auch nur schon bei den Glaubenden allgemeine Zustimmung gefunden hätte. Doch ist dies nur eine Seite der Problematik. Denn:
    Auch Gegenbeweise scheitern
    Wie die Beweise für Gott, so lehnt Kant auch die Beweise gegen Gott ab. Warum? Weil auch sie den Erfahrungshorizont überschreiten. Die Idee Gottes ist in sich kein Widerspruch, und diejenigen, die beweisen wollen, daß Gott nicht existiere, haben noch mehr unrecht: »Dieselben Gründe«, die das Unvermögen der Vernunft zur Behauptung der Existenz Gottes beweisen, reichen nach Kant aus, »um die Untauglichkeit einer jeden Gegenbehauptung zu beweisen«: »Denn, wo will jemand durch reine Spekulation der Vernunft die Einsicht hernehmen, daß es kein höchstes Wesen, als Urgrund von allem gebe …« Kant ist überzeugt: Die Gottesidee ist nun einmal ein notwendiger theoretischer Grenzbegriff, der, wie ein ferner Stern, im Erkenntnisprozeß zwar nicht erreicht, aber immerhin als ideales Ziel angesteuert werden kann.
    Im Bild: Wer zugibt, daß er nicht hinter den Vorhang gucken kann, darf auch nicht behaupten, es sei nichts dahinter. Auch der Atheismus ist hier in seine Schranken gewiesen. Alle Beweise oder Aufweise der bedeutenden Atheisten reichen zwar aus, um die Existenz Gottes fragwürdig zu machen, aber nicht, um Gottes Nicht-Existenz fraglos zu machen. Es ist bedauerlich, wie viele falsche Schlachten zwischen Gottesglaube und Wissenschaft, zwischen Theologie und Atheismus gerade im 19. und 20.   Jh. geschlagen wurden. Und noch bedauerlicher ist es, daß viele Naturwissenschaftler sogar im 21.   Jh. befangen sind in den schon längst durchschauten, aber von ihnen oft wenig reflektierten Argumenten der atheistischen Religionskritik des 19. und 20.   Jh. Auch heute hat der Atheismus einige Propheten unter den Naturwissenschaftlern.
    »Der Anfang aller Dinge« (2005), S.   59   –   64.

Wie Gott denken?
    Die Rede von Gott und seinem Wesen führt bei vielen Theologen oft zu verstiegenen Spekulationen. Schon in seinem Buch »Existiert Gott?« (1978) hat Hans Küng klar und plausibel Rechenschaft darüber gegeben, die in diesem späteren Text knapp gebündelt ist.
    Viele Umfragen über den Gottesglauben von Naturwissenschaftlern sagen wenig aus, weil sie undifferenziert gestellt sind. So zum Beispiel die auch später öfters aufgegriffenen Umfragen des Psychologen James H. Leuba von 1914 und 1933, die nach einem Gottesglauben fragen, der mit Gott durch Gebete kommunizieren kann, andererseits nach einer Unsterblichkeit der Seele. Auf solche Fragen läßt sich schwerlich einfach mit Ja oder Nein antworten, so wenig wie etwa auf die Frage: »Sind Sie für oder gegen Frankreich?« Auch kann man nicht übersehen, daß an manchen Universitäten die »politische Korrektheit« empfiehlt, in religiösen Grundfragen nicht öffentlich Stellung zu beziehen. Was besagt es also schon, wenn ein Evolutionsbiologe an der Harvard-Universität bei seinen Kollegen eine Umfrage

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