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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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eröffnet: eine reale Alternative mit anderen Werten, Normen und Idealen. Ein echter qualitativer Überstieg zu einem neuen Bewußtsein, einem neuen Lebensziel und Lebensweg und damit auch zu einer neuen Gesellschaft in Freiheit und Gerechtigkeit. Ein wahres Transzendieren, das eben nicht ein Transzendieren ohne Transzendenz sein kann, sondern ein Transzendieren aus der Transzendenz in die Transzendenz .
    Wir rühren bei Jesu Bezug zum Vater an Jesu letztes Geheimnis. Die Quellen geben uns keinen Einblick in Jesu Inneres. Psychologie und Bewußtseinsphilosophie helfen uns nicht weiter. Dies aber wird man sagen dürfen: Sowenig Jesus selber den prononcierten Sohnestitel in Anspruch genommen hat und sowenig eine nachösterliche Gottessohn-Christologie in die vorösterlichen Texte eingetragen werden darf, sowenig kann doch übersehen werden, wie sehr die nachösterliche Bezeichnung Jesu als »Sohn Gottes« im vorösterlichen Jesus ihren realen Anhalt hat. Jesus deutete in seinem ganzen Verkündigen und Verhalten Gott . Aber mußte dann von diesem anders verkündigten Gott her nicht auch Jesus in einem anderen Licht erscheinen? Wer immer sich auf Jesus in unbeirrbarem Vertrauen einließ, dem veränderte sich in ungeahnter, befreiender Weise das, was er bisher als »Gott« gesehen hat. Aber wenn sich einer durch Jesus auf diesen Gott und Vater einließ, mußte sich dem nicht auch umgekehrt der verändern, als den er bisher Jesus gesehen hat?
    Es war ein Faktum: Die eigentümlich neue Verkündigung und Anrede Gottes als des Vaters warfen ihr Licht zurück auf den, der ihn so eigentümlich neu verkündigte und anredete. Und wie man schon damals von Jesus nicht sprechen konnte, ohne von diesem Gott und Vater zu sprechen, so war es in der Folge schwierig, von diesem Gott und Vater zu sprechen, ohne von Jesus zu sprechen. Nicht bestimmten Namen und Titeln gegenüber, wohl aber diesem Jesus gegenüber fiel die Entscheidung des Glaubens, wenn es um den einen wahren Gott ging. Wie man mit Jesus umging, entschied darüber, wie man zu Gott steht, wofür man Gott hält, welchen Gott man hat. Im Namen und in der Kraft des einen Gottes Israels hat Jesus gesprochen und gehandelt. Und schließlich für ihn hat er sich umbringen lassen.
    Das Ende
    In fast allen wichtigen Fragen – Ehe, Familie, Nation, das Verhältnis zur Autorität, Umgang mit anderen Menschen und Gruppen – denkt Jesus anders, als man das gewohnt ist. Der Konflikt um das System, um Gesetz und Ordnung, Kult und Bräuche, Ideologie und Praxis, um die herrschenden Normen, die zu respektierenden Grenzen und zu meidenden Leute, der Streit um den offiziellen Gott des Gesetzes, des Tempels, der Nation und Jesu Anspruch drängt dem Ende entgegen. Es sollte sichtbar werden, wer recht hat. Ein Konflikt auf Leben und Tod war es geworden. Der in seiner Großzügigkeit, Zwangslosigkeit, Freiheit so herausfordernde junge Kämpfer wird zum schweigenden Dulder.
    Ein letztes Mahl
    Jesus, der aufgrund seines Redens und Handelns sein Leben vielfach verwirkt hatte, mußte mit einem gewaltsamen Ende rechnen. Nicht daß er den Tod direkt provoziert oder gewollt hätte. Er hatte keine Todessehnsucht, aber lebte angesichts des Todes . Und er hat den Tod frei – in jener großen Freiheit, die Treue zu sich selbst und Treue zum Auftrag, zu Selbstverantwortung und Gehorsam vereint – auf sich genommen, weil er darin den Willen Gottes erkannte: Es war nicht nur ein Erleiden des Todes, sondern eine Hergabe und Hingabe des Lebens. Dies muß man sich vor Augen halten angesichts jener Szene am Vorabend seiner Hinrichtung, auf die der spezifisch christliche Gottesdienst in den ganzen zwei Jahrtausenden zurückgeführt wird: das letzte Mahl.
    Daß Jesus wie zumindest einige seiner Jünger getauft war, aber daß er selber, und nach den synoptischen Evangelien auch seine Jünger, vor Ostern nicht getauft hat und daß auch der Taufbefehl des österlichen Herrn historisch nichts Verifizierbares liefert: das wird heute in der kritischen Exegese allgemein angenommen. Allgemein angenommen wird heute freilich zugleich: daß es keine tauflose Anfangszeit der Kirche gegeben und daß man schon in der Urgemeinde bald nach Ostern zu taufen begonnen hat. Ein widersprüchlicher Befund? Er findet seine Erklärung darin, daß die Gemeinde auch ohne bestimmte Weisung oder gar »Einsetzung« eines Taufritus des Glaubens sein konnte, den Willen Jesu zu erfüllen, wenn sie tauft. In Erinnerung nämlich an das von Jesus

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