Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
zusammenhängend für sich erzähltes Traditionsstück – konnte von Petrus selbst der Gemeinde überliefert worden sein. Jedenfalls dürfte sie – abgesehen vom wohl markinischen dramatischen Schluß mit dem zweiten Hahnenschrei (Hühner waren anscheinend in Jerusalem verboten) – den geschichtlichen Tatsachen entsprechen, da es für irgendeine Aversion gegen Petrus in der Gemeinde keine Belege gibt.
Trotz eingehendster kritischer Durchleuchtung dürfte es nicht mehr möglich sein, das Prozeßverfahren Jesu, von dem wir weder Originalakten noch direkte Zeugenaussagen haben, zu rekonstruieren. Klar ist jedenfalls:
In Zusammenarbeit zwischen geistlichen und politischen Autoritäten wurde Jesus zum Tode verurteilt : Nach allen Berichten geriet der Politiker Pilatus durch die Anklage in einige Verlegenheit, weil er für Jesus, den er wohl für einen zelotischen Führer hielt, kaum einen der Anklage entsprechenden handgreiflichen Tatbestand zu finden vermochte. Auch wenn man die Tendenz der Evangelisten, den Vertreter Roms als Zeugen der Unschuld Jesu hinzustellen und zu entlasten, in Rechnung stellt: Es ist doch glaubhaft, daß er Jesu Amnestierung – freilich als Einzelfall, da eine alljährliche Sitte unwahrscheinlich ist – betrieb, aber schließlich auf Wunsch des verhetzten Volkes doch dem zelotischen Revolutionär Barabbas (Sohn des Abbas) die Freiheit gab. Dies jedenfalls berichten die Quellen übereinstimmend, während die Fürsprache der Gattin des Pilatus nur von Mattäus, das ergebnislose Verhör vor Herodes Antipas nur von Lukas, das Verhör vor dem Althohepriester Annas und die ausführliche Befragung durch Pilatus nur von Johannes berichtet werden. Indem aber Pilatus diesen Jesus, der nie auf messianische Titel Anspruch erhoben hatte, als »König (= Messias) der Juden« verurteilte, machte er ihn für die Öffentlichkeit paradoxerweise zum gekreuzigten Messias! Was für den nachösterlichen Glauben und sein Verständnis des vorösterlichen Jesus wichtig werden sollte. Die Ironie der Kreuzesaufschrift konnte vom Römer bewußt gewollt sein. Daß sie von den Juden – für die ein gekreuzigter Messias ein ungeheuerliches Skandalon war – so empfunden wurde, zeigt der Streit um die Formulierung.
Die Hinrichtung
Jesus wurde vor der Hinrichtung – auch dafür gibt es historische Parallelen – dem Hohn und Spott der römischen Soldateska überlassen. Die Verhöhnung Jesu als Spottkönig bestätigt die Verurteilung wegen messianischer Prätentionen. Die scheußliche Auspeitschung mit Hilfe von Lederpeitschen mit eingeflochtenen Metallstückchen, die Geißelung , war vor der Kreuzigung üblich. Ein Zusammenbruch Jesu auf dem Weg unter der Last des Querholzes und die erzwungene Hilfe jenes Simon aus dem nordafrikanischen Kyrene haben – auch abgesehen von der Erwähnung von Simons Söhnen – hohe Wahrscheinlichkeit. Der Kreuzweg ist freilich nicht die heutige Via dolorosa. Vielmehr führt er vom Palast des Herodes – dieser und nicht die Burg Antonia war Residenz des Pilatus in Jerusalem – zur Hinrichtungsstätte auf einem kleinen Hügel außerhalb der damaligen Stadtmauer, der vermutlich wegen seiner Form »Golgotha« (»Schädel«) hieß.
Knapper als vom Evangelisten kann die Hinrichtung nicht mehr beschrieben werden. »Und sie kreuzigten ihn.« Jedermann kannte damals nur zu gut die grauenhafte römische (aber vermutlich von den Persern erfundene) Exekutionsart für Sklaven und politische Rebellen: der Verurteilte wurde ans Querholz angenagelt und dieses auf dem zuvor eingerammten Pfahl festgemacht, wobei die Füße mit Nägeln oder Stricken befestigt wurden. Die dem Verbrecher auf dem Weg zum Richtplatz umgehängte Tafel mit dem Hinrichtungsgrund wurde dann an dem Kreuz angeschlagen, für jeden sichtbar. Oft erst nach langer Zeit, manchmal erst am folgenden Tage, verblutete oder erstickte der blutig Geschlagene und Gehenkte. Eine ebenso grausame wie diskriminierende Hinrichtungsart. Ein römischer Bürger durfte enthauptet, aber nicht gekreuzigt werden.
In den Evangelien wird nichts ausgemalt . Es werden keine Schmerzen und Qualen beschrieben, keine Emotionen und Aggressionen geweckt. Es soll überhaupt Jesu Verhalten in diesem Tod nicht beschrieben werden. Vielmehr soll mit allen Mitteln – alttestamentlichen Zitaten und Andeutungen, wunderbaren Zeichen – die Bedeutung dieses Todes herausgestellt werden: des Todes dieses Einen, der so viele Erwartungen geweckt und der nun von den Feinden
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