Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
bejahte Taufen des Johannes. In Erinnerung an Jesu und der Jünger Taufe selbst. Als Antwort also zwar nicht auf bestimmte Auftragsworte Jesu, wohl aber auf seine Botschaft als ganze, die zu Umkehr und Glauben aufruft und Sündenvergebung und Heil verheißt. So tauft denn die Gemeinde im Sinn und Geist Jesu: in Erfüllung seines Willens, in Antwort auf seine Botschaft und deshalb auf seinen Namen.
War es vielleicht beim Abendmahl ähnlich: daß Jesus selber kein solches Mahl gefeiert hat, wohl aber die nachösterliche Gemeinde ein solches feierte »zu seinem Gedächtnis«, im Sinn und Geist und so im Auftrag Jesu? Die Mahlfeier der Kirche ließe sich auf diese Weise ebenso gut rechtfertigen wie ihre Taufe. Doch ist der Befund hier komplexer. Taufe und Abendmahl lassen sich historisch gesehen nicht einfach auf dieselbe Stufe stellen. Freilich, daß Jesus ein Abendmahl »eingesetzt« hat, läßt sich füglich bezweifeln; der bei Paulus sich findende zweimalige Wiederholungsbefehl fehlt denn auch bei Markus. Aber daß Jesus ein Abschiedsessen, ein letztes Abendmahl mit seinen Jüngern gefeiert hat, läßt sich aufgrund der Quellen so leicht nicht bezweifeln.
Ein letztes Mahl, ein Abschiedsessen Jesu kann sachgemäß nur auf dem Hintergrund einer langen Reihe von Mahlzeiten gesehen werden, die von seinen Jüngern auch nach Ostern fortgesetzt wurden. Von daher ist bereits zu verstehen, daß Jesus mit diesem Mahl nicht eine neue Liturgie stiften wollte. Noch einmal sollte sich die Gemeinschaft des Mahles mit denen verwirklichen, die so lange mit ihm gelebt und gewandert, gegessen und getrunken hatten. In der Erwartung des kommenden Reiches und seines Abschiedes wollte Jesus mit den Seinen dieses Mahl halten.
Ob Passamahl oder nicht: Die besonderen Worte Jesu fielen jedenfalls nicht, wie eine isolierte Deutung voraussetzte, als heilige Einsetzungsworte gleichsam vom Himmel. Sie paßten sich leicht in den rituell geregelten – und zum Teil noch heute in jüdischen Familien üblichen – Ablauf eines festlichen jüdischen Mahles ein. Das Brotwort im Anschluß an das Tischgebet vor der Hauptmahlzeit: wo der Hausvater über dem flachen, runden Brot den Lobspruch spricht, es bricht und die Stücke des einen Brotes den Tischgenossen verteilt. Das Weinwort dann im Anschluß an das Dankgebet nach dem Mahl: wo der Hausvater den Becher mit Wein kreisen und jeden daraus trinken läßt. Eine Geste der Gemeinschaft, die jeder antike Mensch auch ohne begleitende Worte verstehen konnte.
Jesus brauchte also keinen neuen Ritus zu erfinden, sondern nur mit einem alten Ritus eine Ankündigung und neue Deutung zu verbinden: Er deutete das Brot und – zumindest nach der markinischen Fassung – auch den Wein auf sich selbst. Angesichts seines drohenden Todes deutete er Brot und Wein als gleichsam prophetische Zeichen auf seinen Tod und damit auf all das, was er war, was er getan und gewollt hat: auf das Opfer, die Hingabe seines Lebens. Wie dieses Brot, so wird auch sein Leib gebrochen, wie dieser rote Wein, so wird auch sein Blut vergossen: das ist mein Leib, mein Blut! Womit beide Mal ganzheitlich die ganze Person und ihre Hingabe gemeint sind. Und wie der Hausvater den Essenden und Trinkenden unter Brot und Wein Anteil am Tischsegen gibt, so gibt Jesus den Seinen Anteil an seinem in den Tod gegebenen Leib (»Leib« oder »Fleisch« meinen im Hebräischen oder Aramäischen immer den ganzen Menschen) und an seinem für »viele« (einschlußweise = alle) vergossenen Blut.
So werden die Jünger in Jesu Schicksal hineingenommen. Im Zeichen des Mahles wird eine neue, bleibende Gemeinschaft Jesu mit den Seinen aufgerichtet, ja ein »neuer Bund« begründet. Noch mehr als in der markinischen steht in der (ursprünglicheren?) paulinischen Fassung »Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut« der Gedanke des Neuen Bundes im Vordergrund: der Bund, der in der (durch Blutbesprengung und in einem Mahl vollzogenen) Bundesschließung am Sinai vorgebildet ist, der von Jeremia für die Heilszeit geweissagt wurde und der zur Zeit Jesu auch in der Qumran-Gemeinde, wo man ein tägliches Gemeinschaftsmahl mit Segnung von Brot und Wein kennt, eine wichtige Rolle spielte. Das vergossene Blut, der hingegebene Leib Jesu also als Zeichen des neuen Bundesschlusses zwischen Gott und seinem Volk.
Sicher unsachgemäß ist die in der Reformationszeit umstrittene Frage nach der Bedeutung des »ist« , da weder die Gemeinde noch Jesus selber unseren Begriff einer
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