Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Kirche,
sie zu retten von allem Bösen
und sie zu vollenden in deiner Liebe.
Und führe sie von den vier Winden zusammen,
sie, die Geheiligte,
in dein Reich, das du ihr bereitet hast« (10,5).
Das Entscheidende über der Kirche Wesen in der wechselnden Gestalt, über ihre Aufgabe trotz ihres Unwesens dürfte damit ausgesagt sein. Und sollte es nicht möglich sein, daß mindestens bis hierher – und das wäre schon unendlich viel – der Großteil der gespaltenen Christenheit in bezug auf die entscheidenden Linien zustimmen könnte, so daß die Differenzen mindestens keine kirchenspaltenden Differenzen zu sein brauchten?
Der kirchenspaltenden Differenzen blieben noch genug. Doch ließe sich denken, daß ein weiter Konsensus sich (bei allen den ungezählten theologischen Schul differenzen, die oft quer durch die verschiedenen christlichen Konfessionen gehen!) auch auf die – hier nun zu entfaltende – Grundstruktur der neutestamentlichen Gemeinde erstrecken könnte. Wie versteht sie sich denn selbst, diese Ekklesia, diese endzeitliche Heilsgemeinde … Wie umschreibt sie denn selber genauer ihr Wesen? Was bedeutet es, wenn sie sich als Gottesvolk, Geistesbau, Christusleib versteht?
»Die Kirche« (1967), S. 27 – 81.
Warum dieser Papst groß war
Johannes XIII., Initiator des 2. Vatikanischen Konzils, ist im Juni 1963 verstorben. Der Nachruf, den ihm Hans Küng gewidmet hat, wird hier in seiner ersten Fassung und in gekürzter Form abgedruckt.
Johannes XXIII. war nicht, was die Welt einen großen Redner oder großen Diplomaten, einen großen Sprachenkenner, großen Juristen oder großen Gelehrten nennt. Ja, er war bei all seiner hohen intuitiven Intelligenz im Grunde auch nicht das, was man in der Kirchengeschichte einen großen Theologen heißt. Und doch, würde ich gefragt und dürfte ich, ohne das Urteil der Geschichte vorwegzunehmen, die Frage schlicht und spontan beantworten, die Frage nämlich, wer der größte Papst dieses Jahrhunderts sei – ich würde ohne Zögern antworten: Johannes XXIII. Und sollte mich dann einer hinweisen auf all das Große, das Johannes XXIII. nicht war – wer sollte übrigens an solchen Hinweisen interessiert sein, da Papst Johannes überlegen selbst auf all dies schon in seiner Krönungsansprache hingewiesen hatte? –, so würde ich meinen, daß alles dies schließlich und endlich nichts ist gegen das eine: Johannes XXIII. war groß im Dienen . Und damit hat er das Wort eines anderen hinter sich, der seine Größe unangreifbar macht: »Wer unter euch der Größte sein will, der sei euer Diener.«
Und war es nicht dies, was diesen Papst so beliebt, nein, geliebt gemacht hat bei Ungezählten in und außerhalb der katholischen Kirche? Dieser Papst wurde nicht – wie so manche seiner Vorgänger – angestaunt, bewundert oder gar gefürchtet. Er wurde geliebt. Hier war ein Mann, der absolut unprätentiös seinen Dienst versah. Nie hat er etwas aus sich gemacht: Johannes XXIII. liebte keine gestellten Photos in frommen Posen; er spottete darüber, daß er nicht photogen sei. Und doch waren die Bilder von ihm immer anziehend, oft ergreifend: dieses Gesicht ohne Arg, demütig, gütig, kurz: liebenswürdig. Johannes XXIII. spiegelte keine Kenntnisse vor, wo er keine besaß; er tat nicht, als ob er jedes offizielle Dokument selber schriebe (»Ich habe sie gelesen!«, sagte er einmal schmunzelnd von seiner ersten Enzyklika). Aber immer, wenn er sprach, drangen seine Worte, vom Evangelium inspiriert, zu Herzen. Ihn ließ die – nicht leicht abzuschüttelnde – römische Pracht um ihn völlig gleichgültig. Er hielt nicht viel von Ehrenbezeigungen. Wenn immer möglich, verzichtete er auf die Sedia gestatoria und zog zu Fuß in St. Peter ein. Um Beifall zu umgehen, ließ er bei seinem Einzug in die Basilika das Apostolische Glaubensbekenntnis singen. Persönlich hat er in St. Peter die Gemeinschaftsmesse eingeführt. Er liebte es, mit den Gläubigen auf dem Petersplatz am Mittag von seinem Fenster aus zusammen zu beten, aber er zog sich, den Applaus möglichst vermeidend, immer gleich wieder zurück.
Das Evangelische
Was den Menschen groß vor Menschen macht, war Johannes XXIII. gleichgültig. Aber was den Menschen – nach dem Evangelium – groß vor Gott macht, war ihm wichtig. Und das spezifisch Evangelische ist es, was ihn vor seinen großen Vorgängern auszeichnet. Nicht nur daß er jede Familienpolitik und jeden Nepotismus strikt ablehnte. Nicht nur
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