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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Bischöfen) weithin unmöglich machen oder im Formalen erstarren lassen. Die Selbstverständlichkeit und Herzlichkeit, mit der er seine nichtkatholischen Besucher empfing, wurde von diesen oft gerühmt. Während des Konzils sagte er den beiden Brüdern aus dem protestantischen Kloster von Taizé: »Oh, Sie haben sich weiß angezogen!« »Sonst gehen wir in Zivil«, antworteten die Brüder, »aber für den Gottesdienst ziehen wir dieses weiße Gewand an.« »O vous savez«, lachte Johannes, »je ne suis pas jaloux! – Ich bin nicht eifersüchtig!« Ein ausgesprochener ökumenischer Takt war ihm eigen, der ihn etwa Geschenke orthodoxer orientalischer Würdenträger gegen alle protokollarischen und kirchendiplomatischen Bedenken seiner Berater in selbstverständlicher Freundlichkeit verdanken und erwidern ließ. Ein neuer Sinn für christliche Brüderlichkeit beseelte diesen Bischof, der immer Bischof unter Bischöfen sein wollte und der so oft nicht allein, sondern nur mit seinen Brüdern im Bischofsamt zusammen das Volk segnen wollte. Dieser neue Sinn für christliche Brüderlichkeit ließ nicht zu, daß das Konzil ohne die Vertreter der anderen christlichen Gemeinschaften zusammenkam. Als er sie während des Konzils im Vatikan empfing, wollte er sich nicht auf den päpstlichen Thron setzen. Er ließ einen Stuhl bringen und setzte sich schlicht zu ihnen: »Für Sie bin ich nicht der Nachfolger Petri!«
    Man sage nicht, diese Dinge seien Kleinigkeiten. Sie offenbaren eine ganze Haltung. Sie waren fähig, das Klima entscheidend zu verändern. Während der fünf Jahre seines Pontifikats hat sich die ökumenische Situation mehr verbessert als vorher in fünfzig Jahren, ja fast mehr als in fünfhundert Jahren. Ist es zu verwundern, daß alle Menschen guten Willens – ihnen allen hatte er seine letzte Enzyklika »Pacem in terris« gewidmet – ihm dankbar sind und daß nicht nur Christen, sondern auch Juden, denen er besonders zugetan war, für sein Leben gebetet haben? Alle diese Menschen haben verstanden: Hier war ein Mann, der dienen und nur dienen wollte: der Kirche, der Christenheit, der Welt, allen Menschen. Bis in seinen so qualvollen Tod hinein, um den er seit langer Zeit wußte, hat er diesen Dienst ohne alles Pathos durchgehalten.
    Hinter Johannes XXIII. wird die katholische Kirche nicht mehr zurückgehen können. Mit ihm hat eine neue Epoche der Kirchengeschichte begonnen, eine Epoche neuen Lebens, neuer Freiheit, neuer Hoffnung. Sein letzter Wunsch auf dem Sterbebett war, daß das Konzil segensvoll weitergehen möge. Gewiß wird es neue Widerstände und neue Schwierigkeiten gegen sein  Programm geben. Aber die katholische Kirche wird auf dem von Johannes XXIII. eingeschlagenen Weg weiterschreiten. Sein Programm – Erneuerung der Kirche und Wiedervereinigung der getrennten Christen – hat nicht nur einen Papst, sondern den Herrn der Kirche selber hinter sich.
    »Kirche im Konzil« (1963), S.   221   –   230.

Warum ich in der Kirche bleibe
    Dieser Text wurde 1971 geschrieben, 1990 erneut veröffentlicht, und trotz verschärfter Kirchenkrise hat Hans Küng seine Position auch heute nicht verändert. Er unterscheidet streng zwischen der Kirchengemeinschaft und dem Kirchenapparat, der die Zeichen der Zeit offensichtlich nicht erkennt.
    Abschied von der Kirche?
    Abschied vom kirchlichen Dienst – Signal für einen Abschied von der Kirche. Wer es denen nicht glauben wollte, die es schon vor Jahren vorausgesagt haben, wird es jetzt zur Kenntnis nehmen müssen: Die katholische Kirche ist bedroht von einem Massenauszug aus dem kirchlichen Dienst. Die in Rom eintreffenden Laisierungsgesuche – besonders aus den USA, Holland, lateinischen Ländern und vor allem aus dem Ordensklerus – steigen in die Tausende. 1963: 167   –   1970: 3800! Viele jedoch fragen gar nicht um Erlaubnis. Man schätzt neuestens den Abgang der letzten acht Jahre auf 22.000   –   25.000   Geistliche (80   % im Alter von 30   –   45   Jahren). Für die Zukunft der katholischen Kirche noch sehr viel bedrohlicher ist indessen der rapide Rückgang der Ordinationen … Wenn das so weitergeht, wird manches Priesterseminar schließen können, und spätestens dann werden auch manchen Bischöfen und römischen Behörden die Augen aufgehen. Paul VI. beklagte in seiner Ansprache an das Kardinalskollegium vom 22.   Dezember 1970, wie ihn die Statistiken über den Weggang von Priestern und Ordensleuten bedrücken, ohne irgendwelche

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