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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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daß er sich in neuer – oder alter – Weise als Bischof von Rom um seine eigene Gemeinde und seinen eigenen Klerus gekümmert hat und in die einzelnen Pfarreien gerade auch der Vorstädte persönlich gegangen ist. Nein, entscheidend ist: Er holte, ohne viel Aufhebens davon zu machen, alte, seltsamerweise gerade in Rom vergessene, evangelische Wahrheiten wieder hervor. Wer von seinen großen Vorgängern hatte je als Papst persönlich Arme besucht, Kranke in Spitälern getröstet, Priester, die in ihrem Leben Schiffbruch erlitten, aufgesucht? Wer den Weg in das römische Staatsgefängnis gefunden, und wer hätte dort – wo auch große Redner leicht versagen – das richtige Wort gefunden? Schlicht erzählte er diesen Gefangenen und Verbrechern, die nie einen solchen Besuch erträumt hatten, daß auf ihn, seit er ein Knabe war, jedes Gefängnis sehr bedrückend wirke, weil damals sein eigener Onkel – wegen Wilderei – ins Gefängnis gekommen sei. Der »Osservatore Romano« – wie er oft das Beste in des Papstes Ansprachen unterschlug – ersetzte den »Onkel« durch einen anscheinend die Würde des Papstes weniger belastenden »Verwandten«.
    Papst Johannes gab sich nie Mühe, als außerordentlicher Mensch, etwa schon zu Lebzeiten als Heiliger zu erscheinen. Hätte man ihn als solchen bezeichnet, hätte er bestimmt gelacht. Um seine Würde war er nie besorgt. Als er während des Konzils eine große nationale Bischofskonferenz empfing, für die er eine französische Ansprache vorbereitet hatte, wurde er in der Begrüßungsadresse auf lateinisch angeredet. Er fühlte sich gedrängt, nun seine Ansprache ebenfalls auf lateinisch zu halten. Die Übersetzung aus dem Französischen ins Lateinische gelang ihm leidlich schlecht. Er entschuldigte sich, er hätte seit seiner Zeit als Seminarprofessor, wo er Kirchengeschichte gelehrt hatte, nicht mehr lateinische Reden gemacht. Beim Verlassen des Saales sagte er zu den Bischöfen: »Oggi abbiamo fatto una brutta figura. Heute haben wir eine schlechte Figur gemacht. Und das nach ›Veterum Sapientia‹ [der Konstitution zugunsten des Kirchenlateins, die ihm einige römische Prälaten abgerungen hatten]. Aber ich habe sie ja nicht selbst gemacht!« So nahm er sich selber nie allzu ernst. Wie er einem Bischof erzählte: Wenn er vor Sorgen nicht schlafen könne, würde er »den Papst« sagen lassen: »Angelo, nimm dich nicht allzu wichtig!«
    Alle Menschen guten Willens haben immer wieder aus diesem Mann herausgespürt: Er will nicht für sich, er will für die anderen dasein. Er will nicht zwingen, er will durch Liebe überzeugen. Er will nicht von oben herab belehren, er will, aus einem tiefen Verständnis für die Erfolge und Nöte der modernen Welt heraus, als Bruder helfen. Das hat man aus all seinen Verlautbarungen, zuletzt noch aus der Enzyklika »Pacem in terris«, die mit ihrem Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit, religiöse Freiheit, die Menschenrechte und die Brüderlichkeit aller Menschen ein weltweites positives Echo gefunden hatte, herausgehört. Johannes XXIII. hat dabei das Petrusamt in der Kirche, das man oft zu einer Institution zwischen Himmel und Erde entrückt hat, wieder menschlicher, liebenswürdiger gemacht. Oder besser: Er hat dieses Petrusamt, das sich auf das Evangelium beruft, in der Kirche wieder in einer neuen Weise evangelisch, nach den Forderungen des Evangeliums, zu gestalten versucht. Deshalb hat Papst Johannes gerade bei den Evangelischen so viel Sympathie gefunden. Deshalb war er ein großer Papst. …
    Offen für alle Christen
    Johannes XXIII. wird in die Kirchengeschichte eingehen als der Papst, der es verstanden hat, gleichsam über Nacht die katholische Kirche aus ihrer Reserve gegenüber den ökumenischen Bestrebungen herauszureißen und sie ökumenisch aktiv zu machen. Sicher gab es vorher schon ökumenische Bewegung in der katholischen Kirche. Aber es war die Angelegenheit einer kleinen Vorhut von Theologen und Laien. Papst Johannes machte die Wiedervereinigung der getrennten Christen zum Anliegen der gesamten Kirche und besonders auch ihres Zentrums. Zwar hatte man vor ihm schon – wie man in Rom zu sagen pflegte – »die Arme weit geöffnet« gegenüber den anderen Christen, Aber bei dieser Einladung zur Rückkehr war es meist geblieben. Erst Johannes XXIII. hat gezeigt, daß das Armeöffnen nicht genügt, sondern daß man zuerst die Hände zu rühren hat: um nämlich das je Eigene zu tun, um die Wiedervereinigung auch von

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