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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Wenn nun aber die Kirche in der Nachfolge Christi für die Gottesherrschaft eine radikale Entscheidung für Gott fordert, dann bedeutet dies als Imperativ für sie selbst:
    Auch die Kirche selbst ist in dieser Endzeit vor die Wahl gestellt: Gott und seine Herrschaft oder die Welt und ihre Herrschaft. Auch sie darf sich durch nichts von einer radikalen Entscheidung für Gott abhalten lassen. Gerade sie hat sich immer wieder von der Botschaft der Welt in Metanoia abzuwenden und unter die kommende Gottesherrschaft zu stellen, um sich von da her in Liebe der Welt und den Menschen zuzuwenden: nicht in asketischer Aussonderung aus der Welt also, sondern im radikalen Gehorsam der Liebe gegenüber Gottes Willen im weltlichen Alltag, nicht in Flucht vor der Welt, sondern in Arbeit an der Welt. Vor diesem radikalen Gehorsam gegenüber Gottes Willen kann die Kirche sich nicht drücken. Als ob etwa das im Evangelium Geforderte nur der »bösen Welt« und nicht auch der immer wieder neu verweltlichten Kirche gelten würde! Als ob die Kirche den Gehorsam gegenüber Gottes heiligem Willen durch den Gehorsam gegenüber sich selbst ablösen könnte! Als ob sie ihre eigenen liturgischen, dogmatischen und rechtlichen Gesetze und Vorschriften, Überlieferungen und Gewohnheiten als Gebote Gottes ausgeben, sie über oder auch nur neben den Willen Gottes, wie er in Jesus Christus laut geworden ist, stellen dürfte. Als ob sie die je zeitbedingten Festsetzungen zu ewigen Normen erklären dürfte, die dann nur durch gekünstelte und gequälte Interpretation an die je neue Gegenwart angepaßt werden können. Als ob sie in Entscheidendem »Kamele verschlucken« und andererseits mit kleinlicher Kasuistik »Mücken seihen« dürfte! Als ob sie so die Last zahlloser Gesetze und Vorschriften auf die Schultern der Menschen legen dürfte, die diese nicht zu tragen vermögen! Als ob sie statt eines Herzensgehorsams aus Liebe zu Gott einen blinden Gehorsam aus Furcht verlangen dürfte, der nicht gehorcht, weil er die Forderung versteht und bejaht, sondern nur weil es geboten ist, und der anderes täte, wenn es nicht geboten wäre. Als ob es ihr je statt um die innere Gesinnung um die äußere Legalität, statt um die »Zeichen der Zeit« um die »Überlieferungen der Alten«, statt um die Herzenslauterkeit um den Lippendienst, statt um den absoluten unverkürzten Gotteswillen um die »Gebote von Menschen« gehen dürfte.
    Die Kirche, die in dieser Endzeit vergißt, wem sie zu gehorchen hat, die die Herrschaft an sich selbst reißt, die sich souverän macht, die sich zur Herrin aufwirft, die legt sich selbst in Ketten und versklavt sich. Die Kirche aber, die bei allem Versagen stets auf die Gottesherrschaft aus ist und daran denkt, wem sie gehört, für wen sie sich entschieden hat, für wen sie sich immer wieder neu kompromißlos und rückhaltlos zu entscheiden hat, die wird wahrhaft frei: frei zur Nachfolge des Dienstes Christi an der Welt, frei für den Gottesdienst, in welchem sie den Menschen dient, frei für den Menschendienst, in welchem sie Gott dient, frei für die Überwindung des Leides, der Sünde und des Todes durch das Kreuz des Auferstandenen, frei für die umfassende schöpferische Liebe, die die Welt verändert und erneuert, frei für die unerschütterliche tatkräftige Hoffnung auf das kommende Gottesreich der vollen Gerechtigkeit, des ewigen Lebens, der wahren Freiheit und des kosmischen Friedens, auf die endgültige Versöhnung der Menschheit mit Gott und die Aufhebung aller Gottlosigkeit! Ja, wenn die Kirche ihr Herz an die Welt oder an sich selbst hängt, macht sie die Menschen unglücklich, elend und versklavt. Wenn sie es aber an Gott den Herrn und an ihn allein hängt, dann macht sie durch Gottes freie Gnade die Unfreien frei, die Trauernden fröhlich, die Armen reich, die Elenden stark, die Lieblosen lieb. Ihr ist verheißen, daß, wenn sie sich bereitmacht und bereithält, Gott selber alles neu machen wird, um alles in allem zu sein.
    Ist es nötig, abschließend nochmals zu betonen, daß die Kirche ihren unbeschreiblich großen Auftrag nur dann zu erfüllen vermag, wenn sie darum bittet, alle Morgen neu? Was sie von Natur nicht ist, das kann ihr aus Gnade geschenkt werden: »Dein Reich komme« (Mt 6,10). Und wie manche Textzeugen hinzufügen: »Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit« (Mt 6,13). Oder wie die Didache ältestes Gebetsgut der Kirche überliefert:
    »Gedenke, Herr, deiner

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