Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
katholischer Seite her vorzubereiten.
Vorbereitung der Wiedervereinigung der getrennten Christen durch die Erneuerung der katholischen Kirche selbst! Dieses gewaltige Programm hat er dem Zweiten Vatikanischen Konzil gestellt. Diesem Konzil, das wesentlich und entscheidend sein Konzil ist. Niemand hatte ihn dazu gedrängt, niemand ihm dazu geraten. Es war sein Entschluß und sein Programm. Nicht als großer Kirchenstratege hat er dieses epochemachende Ereignis in Gang gesetzt. Kirchenpolitik im gewöhnlichen Sinne des Wortes lag ihm fern. Auch nicht als großer Theologe hat er diesen Plan voller Gefahren und Möglichkeiten durchdacht, in seinen dogmatischen wie historischen Voraussetzungen ergründet, in seinen theoretischen wie praktischen Konsequenzen entwickelt. »Sind Sie Theologe?«, fragte er einen bekannten anglikanischen Geistlichen. »Nein«, antwortete dieser. »Tant mieux – ich auch nicht!«
Johannes XXIII. faßte den Konzilsplan aus der schlichten, kindlichen Gesinnung des glaubenden Christen heraus, der überzeugt ist, daß mit Gottes Hilfe etwas Ernsthaftes getan werden müsse, um dem Elend der Kirchenspaltung zu steuern. Er berief dieses Konzil als Mann Gottes, der sich von den Risiken eines solchen Unternehmens nicht schrecken ließ, sondern sich immer tragen ließ von einem heiligen Optimismus, der nichts anderes war als die unbesiegliche, realistische christliche Hoffnung. Er kannte die Schwierigkeiten gegenüber dem Konzilsplan in seiner nächsten Umgebung. Aber: »Il concilio si deve fare malgrado la Curia.« – Das Konzil muß trotz der Kurie durchgeführt werden, sagte er einmal einigen Pfarrern aus seiner bergamaskischen Heimat, die erstaunt waren, daß in Rom nicht jedermann wie der Papst selber denkt:
Dabei ging er behutsam und klug vor. Es half ihm dabei eine völlig unpathetisch christliche Liebe, die ihn im Alltag leitete. Von daher seine Abneigung gegen verständnislose Verurteilungen, gegen rücksichtslose Anathematismen und Exkommunikationen, gegen ungerechte Inquisitionsverfahren. Nie verletzte er jemanden. Oft erreichte er, was er wollte, sehr unauffällig und auf scheinbaren Umwegen: »Papa Giovanni erreicht sein Ziel wie das Wasser!«, sagte mir einer seiner Freunde. Er ließ es eine Zeitlang zu, daß das ökumenische Ziel des Konzils von seinen Mitarbeitern mit Schweigen übergangen wurde. »Ich werde es aber wieder hervorholen«, antwortete er einem Besucher, der sich darüber beschwerte. Und er gründete darauf das Sekretariat für die Einheit der Christen. Eine wichtige Voraussetzung für das bisherige Gelingen des Konzils war, daß der Leiter dieses Sekretariats, Kardinal Bea, auch bei schwierigen Aktionen immer des Papstes volles Vertrauen besaß.
Johannes XXIII. war ein mehr intuitiv denkender Pragmatiker. Und gerade dies half dem Konzil und den ökumenischen Bestrebungen. Dieser Papst hatte nichts übrig für jenen Doktrinalismus, der – wegen seiner pharisäerhaften Haltung, seiner Unduldsamkeit und seiner Verständnislosigkeit für die echten Anliegen der anderen – der größte und gefährlichste Feind des Konzils und aller ökumenischen Bestrebungen ist. Deshalb gebot er der theologischen Vorbereitungskommission, keine formellen neuen Dogmen vorzubereiten. Papst Johannes war der Überzeugung, daß der Menschheit in der heutigen Situation nicht durch die Wiederholung oder Definierung alter Wahrheiten geholfen werde, wohl aber durch die zeitgemäße Verkündigung des Evangeliums, die sich neuer Ausdrucksformen bedient und zwischen Substanz und Einkleidung der alten Lehre zu unterscheiden weiß. Das hat er in seiner Eröffnungsansprache zum Konzil außerordentlich eindrücklich festgestellt, und das hat den Verlauf der Konzilsverhandlungen entscheidend bestimmt. Johannes XXIII. hatte nicht den Ehrgeiz, als ein Papst in die Geschichte einzugehen, der, ohne von der Häresie herausgefordert worden zu sein, ein neues Dogma definierte. »Ich bin nicht unfehlbar«, sagte er einmal im Gespräch mit griechischen Seminaristen. Als diese ihn verwundert anschauten, erklärte er lächelnd; »Nein, ich bin nicht unfehlbar. Der Papst ist unfehlbar nur, wenn er ex cathedra spricht. Ich werde aber nie ex cathedra sprechen.« Er hat nie ex cathedra gesprochen.
Unbekümmert war Papst Johannes in seinen ökumenischen Anstrengungen um Prestigefragen, die so viele für Christen an sich selbstverständliche Kontakte und Zusammenkünfte (etwa unter katholischen und lutherischen
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