Was danach geschah
dass der geliebte Erfinder der elektrischen Glühbirne, Thomas Edison, das Prinzip der Hinrichtung von Verbrechern durch elektrischen Strom unterstützte, um seinem Erzrivalen, George Westinghouse, die Kontrolle über die Stromindustrie zu entreißen, indem er nachweisen wollte, dass Westinghouses Wechselstromsystem weit gefährlicher war als seine eigenen Gleichstromleitungen, auch wenn sie in anderen Bereichen schlechter abschnitten. Edison war so entschlossen, die Öffentlichkeit gegen Westinghouse aufzubringen, dass er die Presse einlud, der Hinrichtung von einem Dutzend unschuldiger Tiere durch eintausend Volt aus einem Westinghouse-Wechselstromgenerator beizuwohnen, und damit den Begriff »Elektrokution« prägte.
Im darauffolgenden Jahr unterstützte Edison erfolgreich die New Yorker Legislative, Westinghouses Wechselstromspannung für den ersten elektrischen Stuhl zu verwenden. Er hoffte, dass anschließend niemand mehr darauf erpicht sein würde, zu Hause Wechselstrom zu nutzen. Westinghouse hingegen tat alles, damit sein Strom nicht zur Hinrichtung von Menschen verwendet wurde, und weigerte sich, den Generator an die Gefängnisbehörde zu verkaufen. Er bezahlte sogar den ersten Seelen, die auf dieses Todesgerät gesetzt werden sollten, die Kosten für die Berufungsverhandlungen. Er verlor diese Berufungen, und die Verurteilten verloren ihr Leben. Letztendlich aber gewann er die Kontrolle in der Stromversorgung.
Ja, Nr. 44371 weiß gut über diese besondere Geschichte des elektrischen Stuhls Bescheid, die jetzt durch seinen Kopf blitzt. Er beschäftigte sich lange und intensiv mit ihr, bis er nicht mehr so oft schlucken und blinzeln musste, wenn er die Worte »elektrischer Stuhl« hörte. Er betäubte sich gegen die Angst vor seinem eigenen Tod, indem er darin badete. Mit mehr als morbider Neugier las er über den Fall von William Kemmler, dem nach dem Mord an seiner Lebensgefährtin in Buffalo die Ehre zuteil wurde, als Erster auf Edisons Stuhl Platz nehmen zu dürfen. Damit stellte sich für Nr. 44371 die Frage, welche besondere Beziehung Buffalo zum Zahnarzt, zum elektrischen Stuhl, zu Kemmler und zu seinem eigenen Leben hatte.
Im Jahre 1890 lehnte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten William Kemmlers Antrag auf ein Haftprüfungsverfahren gemäß des Habeas Corpus Act mit der Begründung ab, der Tod durch elektrischen Strom verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot grausamer oder unüblicher Bestrafung. Mit dieser Rechtfertigung verloren die Bürger des Staates New York keine Zeit, um ihr neues Spielzeug auszuprobieren. Sie legten Kemmler zwei Elektroden an, eine an seinem Kopf, die andere in seinem Lendenwirbelbereich, und jagten siebzehn Sekunden lang einen Westinghouse-Wechselstrom von siebenhundert Volt durch seinen Körper. Zeugen berichteten, der Delinquent habe heftig gezittert und gezuckt, Rauchwolken seien aufgestiegen, und es habe nach verbranntem Stoff und Fleisch gerochen. Sie verpassten ihm eine zweite Dosis von eintausendunddreißig Volt, diesmal über zwei Minuten. Eine Obduktion ergab, dass Bill Kemmlers Gehirn zu einem gut durchgebratenen Stück Fleisch ausgehärtet und das Fleisch um seine Wirbelsäule herum verkohlt war. Unter den Beobachtern an diesem historischen Tag im Gefängnis von Auburn befand sich auch der angewiderte George Westinghouse, der beim Hinausgehen bemerkte: »Mit einer Axt hätte man das besser hinbekommen.«
Die Technik wurde verbessert.
Die Wachen versicherten Nr. 44371, er werde gleich am Anfang eine tödliche Spannung von zweitausend Volt erhalten, anschließend zwei weitere von eintausend Volt. Jeder Stromstoß dauere etwa eine Minute, die Pausen dazwischen zehn Sekunden. Seine Körpertemperatur werde in dieser Zeit auf etwa sechzig Grad ansteigen, was zu heiß sei, um ihn anzufassen, aber nicht so heiß, um zu qualmen wie der arme Bill Kemmler. Sein Oberkörper werde sich heben und Schaum aus seinem Mund treten, sein Haar und seine Haut würden brennen, er werde wahrscheinlich Kot in seine Hose absondern, und seine Augen würden vermutlich trotz der engsitzenden Ledermaske, die ihm die Wachen gerade aufgesetzt hatten, aus ihren Höhlen platzen wie bei einer überraschten Zeichentrickfigur.
Ja, Nr. 44371 weiß alles, was es zu wissen gibt, und jetzt, mit der Maske über seinem Kopf, scheint er zu viel zu wissen. Er weiß, dass trotz mehr als einhundert Jahren langer Übung die Perfektion in der Kunst der »Elektrokution« noch nicht
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