Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
Vom Netzwerk:
Sarah und mich dorthin zu bringen, als Otto die Idee mit der Entführung gehabt hatte. An einem derart abgelegenen Ort, überlegte er, würde man uns mit Sicherheit nicht aufspüren, und die fensterlosen Backsteinmauern würden eine Flucht unmöglich machen. Otto kontrollierte das Gebäude und dachte, es könnte funktionieren, doch um sicher zu sein, fuhr er tags und nachts zu unterschiedlicher Zeit dorthin und hielt sich sogar mehrere Tage in einem Nebengebäude auf, um zu kontrollieren, ob jemand auftauchte. Es kam keiner.
    In diesem Außengebäude, einem alten Lagerschuppen aus Holz mit zwei Fenstern, hielten sich Otto und Tim nach der Entführung auf. Sie hatten es zuvor mit Lebensmitteln ausgestattet, die mehrere Wochen reichen würden, sowie einem Generator, zwei Rechnern der Elf , einem Satellitentelefon und mehreren Kisten mit Sturmgewehren und Munition aus dem Bestand der Elf . Sie bedeckten den Wagen, mit dem wir angekommen waren, mit einer Plane, auf die sie Pilzerde schaufelten, um ihn aus der Luft unsichtbar zu machen. Nach unserer Ankunft schickte Otto aus der Nähe dieses Außengebäudes von einem der Rechner eine E-Mail an Bo. Im Anhang befand sich ein Foto, das er von Sarah und mir im Pilzzuchthaus aufgenommen hatte.
    Otto unternahm keinen Versuch, seine Identität zu verbergen – er wollte die Welt wissen lassen, wer er war und warum er all das tat. Doch mit Hilfe der Verschlüsselungssoftware konnte er unseren Standort geheim halten, indem er die Mail von einem Server zum anderen weiterleitete sowie die Nachrichtenköpfe und Signaturen löschte, so dass die Nachricht am Ende aussah, als käme sie aus Indien. Ottos einzige Forderung war, Sam Mansours Dokumentarfilm von einem nationalen Sender zur Hauptsendezeit ausstrahlen zu lassen. Wenn das geschehen würde, versprach er, würden Bo und die Welt Zeugen unserer sicheren Rückkehr werden, und Otto würde sich freiwillig der Polizei stellen. Er erklärte, die Videokassette liege auf dem Beifahrersitz meines Wagens, der in einem Pinienwäldchen gleich abseits des alten Holzabfuhrwegs in Ardenheim stand. Er forderte kein Geld, auch nicht Hurleys Freilassung aus dem Gefängnis. Er bat nur darum, die Welt möge in Betracht ziehen, dass die Judenvergasungen durch die Nazis eine Erfindung seien und seine Familie und das deutsche Volk fälschlicherweise des Völkermords bezichtigt wurden. Bo als Fernsehreporter dürfte diese Bitte nicht allzu viele Umstände bereiten. Otto gewährte ihm drei Tage, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
    Otto ließ mit keinem Wort erkennen, dass unser Leben bedroht war, und eigentlich ging er auch immer davon aus, dass uns nichts passieren würde. Er war so von der Objektivität des Films überzeugt, dass er glaubte, die Sender wären ganz scharf darauf, ihn zu zeigen, wenn sie ihn erst einmal selbst gesehen hatten. Und er hatte auch nichts dagegen, als Ausgleich für die Entführung ins Gefängnis zu wandern. Der Gedanke, als Märtyrer sein Leben in den Dienst einer Sache zu stellen, gab diesem einen höheren Sinn und ließ ihn nicht mehr los. Felsenfest ging er davon aus, innerhalb weniger Stunden eine Antwort von Bo mit dem Sendedatum und der Sendezeit zu erhalten. Um die Übertragung des Dokumentarfilms kontrollieren und die Berichterstattung zu unserer Entführung verfolgen zu können, hatte er einen tragbaren Fernseher mitgenommen.
    Obwohl ich Otto während meines Fluchtversuchs zwischen die Beine getreten hatte, freute er sich, wie glatt die Sache am ersten Abend gelaufen war. Sarah und ich wurden ins Pilzhaus gesperrt, und schon nach einer Stunde traf eine E-Mail von Bo ein, in der er versprach, alles zu tun, um das Video auf Sendung zu bringen, und Otto bat, uns wieder freizulassen. Zwei Stunden später verbreiteten die Sender die Nachricht von der Entführung mit Fotos von Sarah und mir sowie Fotos von Otto, Harlan Hurley, Tim Shelly und Sam Mansour. Die Tatsache, dass Bo Fernsehreporter und ich Anwältin war und dass Sarah und ich von Rassisten entführt worden waren, die den Holocaust widerlegen wollten, entfachte einen Mediensturm. Die Aussicht auf einen geheimnisvollen Dokumentarfilm über den Holocaust, eine internationale Jagd auf einen flüchtigen Araber und Ottos Computerkenntnisse, dank derer er unser Versteck geheim halten konnte, machten aus der Geschichte eine Sensation. Am nächsten Morgen wurden im Fernsehen Fachleute zu Neonazi-Gruppen, zum Holocaust, zu Geiselnahmeverhandlungen und dem

Weitere Kostenlose Bücher