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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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aus dem Halfter, erhob mich und gab einen Warnschuss in den Boden neben mir ab. In dem ohrenbetäubenden Lärm hörten Tim und Otto schlagartig auf zu kämpfen. Erstaunt drehten sie sich zu mir, doch plötzlich sprang Tim auf mich zu, wie er es bei seinem Vater in Ottos Museum in Buffalo getan hatte. Ich wich zurück und drückte dreimal ab. Tim kippte vor mir auf den Boden. Sein Körper hob sich noch einmal, unter seiner Brust lief ein Rinnsal aus Blut in den Boden. Schweiß glänzte im Schein der Taschenlampe auf seinem nackten Hintern.
    Verblüfft und erschreckt blickte ich auf seine Leiche hinab. Ich hatte gerade einen Mann getötet, der mich und meine Tochter entführt hatte, einen Mann, der versucht hatte, mich zu vergewaltigen. Ich konnte nicht glauben, was hier geschah.
    Heftig zitternd richtete ich die Waffe auf Otto, den Finger am Abzug. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte einfach nur, dass er geht. Er schien ebenso verblüfft zu sein wie ich, und so blieb er einfach stehen, wartete, schien zu hoffen, dass ich auch ihn erschießen würde. Doch ich konnte es nicht tun. Er hatte sein Leben riskiert, um Tim davon abzuhalten, mich zu vergewaltigen, und er hatte Tim davon abgehalten, mich zu erschießen, als ich mit dem Auto wegfahren wollte. Er hatte Sarahs Leben verschont, als er, auf dem Kofferraum liegend, sie durchs Fenster hindurch hätte erschießen können. Obwohl er uns all das hier antat, hatte ich Mitleid mit ihm und wollte ihm nichts antun.
    »Warum?«, schrie ich, so laut ich konnte. »Wozu das Ganze hier? Wozu?« Ich ging, die Waffe immer noch auf ihn gerichtet, rückwärts zu Sarah.
    Sarah hatte angefangen zu schreien, als Otto und Tim mit ihrem Kampf begonnen hatten, doch nach den Schüssen auf Tim war sie wieder still geworden. Ich wandte mich schließlich ab und stolperte durch die Dunkelheit, um Sarah zu suchen. Sie lag noch dort, wo Tim sie hingelegt hatte, zusammengerollt auf der Seite. Ich bückte mich und hob sie auf. Sie war nass, als wäre sie verschwitzt oder ihre Windel undicht. Ich wollte sie einfach nur mit nach Hause nehmen zu ihrem Vater und dem Leben, das wir aufgebaut hatten und das uns Sicherheit bot. Sarah fest an mich gedrückt und mit auf Otto gerichteter Waffe, ging ich zur Tür.
    Die ganze Zeit behielt ich Otto im Auge. Er wurde von der Taschenlampe und dem bisschen Licht beleuchtet, das der Nachthimmel hergab, beobachtete mich genau, blieb aber passiv, als hätte er den von mir angebotenen Waffenstillstand akzeptiert. Doch als ich durch die Tür trat, ging er auf uns zu. Ich war bereit und zögerte nicht. Ich drückte ab.
    Die Kugel traf ihn ins Bein, so dass er neben Tim zusammenbrach. Einen Augenblick lang beobachtete ich ihn durch die Tür hindurch und überlegte, ob ich noch einmal schießen sollte. Doch plötzlich wurde mir klar, dass Sarah sich in meinem Arm weder wand noch schrie, obwohl ich doch gerade mit demselben Arm, mit dem ich sie hielt, geschossen hatte.
    Ich kniete nieder, um sie mir im Schein der Taschenlampe anzusehen. Jetzt verstand ich, warum sie sich so nass anfühlte. Alles war voller Blut – ihre Kleider, ihr cremig weißer Bauch, ihre wunderschönen Wangen. In ihrem Oberkörper klaffte eine riesige Wunde, und ihre braunen, weit aufgerissenen Augen starrten ins Nichts. Einer der drei Schüsse, die ich auf Tim Shelly abgefeuert hatte, hatte mein Baby, meine Sarah, getroffen.
    Ich hatte meine eigene Tochter getötet.

39
    Der Himmel öffnet sich, als würde die Dichtung einer die Erde umspannenden Wasserhülle plötzlich versagen. Noch nie habe ich einen so heftigen Regen erlebt. Durch diesen Regen erklimmen Elymas und ich die felsige Klippe eines zunehmend im ansteigenden Wasser versinkenden Berges, unter uns ein Ufer, das nur wenige Minuten zuvor dürres Grasland und mediterraner Wald gewesen war. Die Zweige von Olivenbäumen, Zypressen und Granatapfelbäumen wiegen hin und her wie Seetang in der Brandung, in dem sich Gras, Beeren, verwelkte Blüten, Teile von Dung, Holzstücke, Töpferware und die aufgeblähten Kadaver von Tieren sammeln – die Trümmer der Erde, über dem diese Bäume einst zur Sonne griffen. Man könnte sich fragen: welche Sonne? Obwohl es mitten am Tag ist, dringt nur ein blasser ultravioletter Schimmer auf den verzweifelten Planeten darunter.
    Elymas traf mich auf dem Weg durch das Wäldchen zum Gericht, wo ich die Seele von Otto Rabun-Bowles präsentieren sollte. »Wir müssen noch einen Besuch erledigen, Brek

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