Was danach geschah
Blick auf uns gerichtet, im Wasser stehen. Nachdem die Jungs ihn mehrmals untergetaucht hatten, kehrten sie ans Ufer zurück. Lenny stand pitschnass im Fluss und sah uns mit seinen trübsinnigen Augen an wie ein verurteilter Straftäter hinter Gittern. Ich war überglücklich. Die Gerechtigkeit hatte gesiegt. Im Alter von elf Jahren hatte ich meine erste Gerichtsverhandlung und meinen ersten Kampf zwischen Gut und Böse gewonnen. Ich war Mr Gwynne und meinem Opa Bellini, den Polizisten und Schuldirektoren, den Soldaten und Superhelden ebenbürtig. So gut wie in diesem glorreichen Moment hatte ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Selbstgefällig lächelte ich Karen an, die das Schauspiel schweigend beobachtete.
»Also, wer ist der Nächste?«, fragte ich und blickte die Jungs der Reihe nach an, bis ich mich für Prügel-Wally entschied. Ich konnte es kaum abwarten, ihn zu verurteilen und in den Fluss werfen zu lassen. »Wally Miller«, sagte ich. »Ich klage dich an wegen Entführung und Ermordung von Krebsen. Wofür plädierst du – schuldig oder nicht schuldig?«
Wally schlenderte zu mir. »Schuldig«, höhnte er. »Und? Was machst du jetzt damit?«
Ich sah zu den anderen Jungs, die jedoch wie erstarrt waren. Keiner wollte Wally Miller herausfordern. Ich sagte nichts.
Wally lachte. »Genau das dachte ich mir«, höhnte er. »Du bist nur eine verrückte Einarmige.« Er trat einen Schritt auf mich zu und stieß mich zu Boden. Dann drehte er sich zu seinen Kumpels um und lachte.
Damit wollte ich ihn nicht durchkommen lassen. Ich stand auf und rannte ihm hinterher. Die anderen Jungs warnten ihn, doch in dem Moment, als er sich zu mir umdrehte, landete meine Faust in seinem Gesicht. Er schwankte und sank auf die Knie, aus einer kleinen Wunde auf seiner Oberlippe sickerte Blut.
Wally war verblüfft. Ich war verblüfft. Die anderen Jungs waren verblüfft. Und erschreckt. Sie hatten gerade mit angesehen, wie ein einarmiges Mädchen dem Tyrann vom Juniata River eine verpasst hatte. Für sie würde es die reine Hölle werden, wenn Wally versuchte, seinen Ruf wiederherzustellen. Einer nach dem anderen verschwanden sie leise im Wald, aus dem sie gekommen waren. Wally erhob sich langsam, wischte sich über den Mund und betrachtete das Blut auf seiner Hand.
»Das zahle ich dir heim, Cuttler«, drohte er.
Ich wich, meine Hand zur Faust geballt, nicht von der Stelle. Er wusste, er würde gut daran tun, sich nicht weiter mit mir anzulegen, und verschwand ebenfalls.
Damit blieben nur noch Karen, Lenny und ich übrig. Lenny, der offenbar dachte, dank Wallys Rückzug wäre alles vorbei, schlich Richtung Ufer, doch ich hielt ihn zurück.
»Zurück ins Wasser, Lenny Basilio«, warnte ich ihn. »Du wurdest zu lebenslänglich verurteilt.«
Lenny ging gehorsam ins Wasser zurück. Er hatte gerade gesehen, was ich mit Wally angestellt hatte, und wollte lieber nicht sein Glück versuchen.
Ich setzte mich neben Karen auf einen Baumstamm. Meine Fingerknöchel taten von dem Schlag gegen Wallys Zähne weh. Karen und ich, unfähig zu sprechen, blickten schweigend zum Fluss und zu Lenny. Das Erlebte war zu traumatisch.
Nach etwa fünf Minuten überkam Lenny die Langeweile, und er wurde nervös. Er warf Steine über die Wasseroberfläche und planschte herum. Als ihm auch das keinen Spaß mehr machte, zog er sich zentimeterweise zurück, in der Hoffnung, ich würde es nicht bemerken. Ich befahl ihm zurückzukommen. Er gehorchte, setzte aber gleich zu einem neuen Versuch an. Es hatte sich ein Spiel daraus entwickelt. Doch als ich ihm das vierte Mal befahl zurückzukommen, rannte er los. Leider rutschte er auf den glitschigen Felsen aus und schlug sich das Knie auf. Ich holte ihn ein und zog ihn am Handgelenk ins Wasser zurück. Befreien konnte er sich nicht, weil ich stärker war und ihn festhielt, bis er sich nicht mehr wand.
»Wie lange soll er denn noch dort im Fluss bleiben?«, rief Karen mir vom Flussufer aus zu.
»Für den Rest seines Lebens«, antwortete ich und packte ihn noch fester am Handgelenk. »Er muss für sein Verbrechen bezahlen. Den Krebsen gebührt Gerechtigkeit.«
»Wie willst du ihn dort im Wasser halten?«, fragte Karen weiter. »Er wird immer wieder versuchen zu fliehen.«
Sie hatte natürlich recht, doch ich wollte am Urteil festhalten. Ich trug einen Stoffgürtel, mit dem ich ihn anbinden könnte. Ich sah mich um, doch die Bäume standen nicht nah genug am Wasser. Schließlich hatte ich eine Idee. Ich
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