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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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»verloren«, als wäre man unvorsichtig damit umgegangen und hätte es verlegt, oder es wurde einem »genommen«, »gestohlen«, man hat es »verwirkt« oder »aufgegeben«.
    Ja, jetzt gehörte ich zu den Verlierern. Die Tatsache, dass alle Menschen in der Geschichte vor mir auch Verlierer waren – und dass alle Menschen in der Warteschleife nach mir Verlierer sein würden –, machte meinen Tod nicht weniger erniedrigend. Ich hatte meinen Mann und mein Kind verlassen. Schlimmer noch, ich hatte mich selbst verlassen – Brek Cuttler, Mensch, Mutter, Ehefrau, Tochter, Enkelin, Freundin, Anwältin, Nachbarin, das war alles nicht mehr. Und ich konnte mich nicht erinnern, wie ich gestorben war! Hatte ich Selbstmord begangen? Das wäre meine größte Schande. Konnte oder wollte ich mich deshalb an nichts mehr erinnern?
    Je mehr mich diese Gedanken plagten und je mehr ich anfing, darüber nachzudenken, was ich alles verloren hatte, desto wütender wurde ich. Nichts zuvor hatte mich je so verärgert wie die Ungerechtigkeit, nach nur einunddreißig Jahren Leben zu sterben. Die Wut in mir wurde noch mehr entfacht, weil ich keine Möglichkeit hatte, dem Schmerz über meinen Verlust Ausdruck zu verleihen. Nana hörte zwar geduldig zu, konnte mich aber, wie ich dachte, nicht verstehen, da sie anders als ich nach einem erfüllten Leben gestorben war, ihre Kinder bis ins Erwachsenenalter begleitet und ihre Enkel und sogar Urenkel gesehen hatte.
    Ich entdeckte auch, dass das Leben nach dem Tode wie das davor einem Gesetz spezieller Relativität unterliegt. Mein Tod fühlte sich nicht wie mein eigener Tod an, da ich in gewisser Weise immer noch etwas dachte und spürte. Mein Tod fühlte sich an wie der Tod von Millionen anderer Menschen, die noch lebten, aber die man nicht mehr sehen konnte. Als wäre ich die einzige Überlebende einer Nuklearkatastrophe. Von meinem Standpunkt in Schemaja aus war ich nicht von meiner Familie fortgerissen worden, sondern meine Familie von mir. Ich hatte meine gesamte Welt verloren – die Erde, die mich beherbergt, das Wasser, das mich genährt, der Himmel, der mich inspiriert hatte – alles hatte sich in seelenvolles, verwunschenes Vergessen aufgelöst.
    Was mir aber schließlich den Rest gab – das, was mir die lange, stille Trauer als Ersatz für die Wut bescherte –, war nicht die Verzweiflung darüber, alles verloren zu haben, sondern die sarkastische Erkenntnis, dass das Leben nach dem Tod dem Leben selbst so ähnlich war. In meinem Himmel gab es keine Erlösung, keine Rettung, keinen Trost. Der Ort, an den ich nach meinem Tod gegangen war, war nicht »besser«. Stattdessen setzten sich die widersprüchlichen Stränge meines alten Lebens fort, waren nur befreit von physikalischen Gesetzen und Grenzen, als wären Leben und Tod nur unterschiedliche Zustände derselben zynischen Geisteshaltung. Wo war die Belohnung? Wo war die ewige, von den Propheten versprochene Ruhe? Ich war an den Ausgangspunkt zurückgekehrt: Die Last des Lebens war ersetzt worden durch die Last des Todes. Das Paradies stellte sich für mich als Ausbildungsplatz in einer anderen Kanzlei dar: Luas & Partner, Anwälte für göttliches Recht.
    Die abschreckende Verhandlung von Toby Bowles hatte den widersprüchlichen Effekt, mein eigenes Elend gleichzeitig zu verstärken und zu lindern, indem mir dort gezeigt wurde, dass es noch schlimmer sein konnte. Im Flur vorm Gerichtssaal erzählte mir Haissem nach der Gerichtsverhandlung, dass nur ein Teil von Mr Bowles’ Leben präsentiert und ein irreführendes Porträt seiner Seele erschaffen wurde. Ich war erstaunt, während Haissem völlig zufrieden und Luas gleichgültig zu sein schien. Offenbar amüsierten sie sich über meine Sorge. Ich fragte Haissem, welche Beweise er zu Mr Bowles’ Verteidigung angeführt hätte, wäre die Verhandlung fortgesetzt worden.
    »Ach, viele Dinge«, antwortete er. »Toby Bowles hat tatsächlich ein anständiges Leben geführt.«
    »Wirklich?«, zweifelte ich.
    »Ja«, beteuerte Haissem. »Würdest du es gerne sehen?«
    »Klar«, sagte ich. »Aber wie? Die Verhandlung ist schon vorbei.«
    Haissem wandte sich an Luas. »Hast du etwas dagegen, wenn ich den Rest von Toby Bowles’ Leben präsentiere? Ich glaube, uns bleiben noch ein paar Minuten, bevor der nächste Fall beginnt.«
    »Das halte ich zwar für unnötig«, erwiderte Luas. »Aber bitte.«
    »Sehr schön«, freute sich Haissem.
    Haissem schloss die Tür mit seinem goldenen Schlüssel

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