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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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aufwachte, diesmal vom Lärm des Geschützfeuers und den lauten Rufen der Familie, als die Mutter und Kinder in einen Tunnel unter den Bodendielen flohen und der Vater mit einem Gewehr aus dem Haus rannte.
    Toby war stark genug, um dem Mann hinterherzuhinken und ihm zu helfen. Er hatte sein Gewehr am Fluss zurückgelassen und nur seine Handfeuerwaffe dabei. Am Rand einer Lichtung suchten sie hinter einigen Büschen Deckung. Vor ihnen, im Nebel, stand ein großes Haus. Sie beobachteten, wie ein paar Soldaten mit roten Sternen am Ärmel die Bewohner des Hauses auf die Einfahrt trieben – einen älteren Mann, zwei Frauen mittleren Alters, eine Jugendliche, zwei Jungs und zwei Mädchen. Sie waren für eine Feier gekleidet.
    Der Anführer der Soldaten bellte einen raschen Befehl auf Russisch, woraufhin die Soldaten den alten Mann und die Jungs von den anderen trennten und an Ort und Stelle erschossen. Als die Frauen zu den Opfern rennen wollten, wurden auch sie kaltblütig ermordet. Jetzt waren nur noch die Jugendliche und die beiden jüngeren Mädchen übrig. All das nahm Toby verzerrt vom Regenschleier und in seinem Fieberwahn wie in einem Traum wahr. Die in der Dunkelheit wie Schatten in sich zusammensackenden Leichen waren die Fortsetzung seines Alptraums, der am Ufer der Elbe begonnen hatte. Plötzlich sprang der neben ihm kniende Mann aus der Hütte auf und rannte, wild in die Luft schießend, auf die Soldaten zu. Die Soldaten erwiderten das Feuer, töteten den Mann auf der Stelle und beinahe auch Toby.
    Toby krabbelte durchs Gebüsch zurück Richtung Hütte, bis ihm klar wurde, dass man ihn sehen und er die Soldaten zur Familie des Mannes locken würde. Um sie und vielleicht auch sich zu retten, richtete er sich mit erhobenen Händen auf, humpelte über die Lichtung und rief: »Amerikaner! Amerikaner!« Die Hose saugte sich mit der Feuchtigkeit des Grases voll und klebte auf seinen Wunden. Die ganze Zeit über dachte er nicht an sich, sondern an seine Schwester Sheila und daran, wer sich jetzt um sie und seine Mutter kümmern und wie die Nachricht über seinen Tod sie noch tiefer in die Verzweiflung stürzen würde. Und er dachte an seinen Vater und daran, wie ihn die Nachricht von seinem Tod den Rest seines Lebens verfolgen würde.
    Zwei russische Soldaten traten vorsichtig mit erhobenen Waffen auf ihn zu, doch als sie Tobys Uniform erkannten, senkten sie ihre Waffen. »Amerika! Amerika!«, freuten sie sich und umarmten ihn. Leider entdeckte einer von ihnen die Hütte und ging darauf zu. Toby wusste, die einzige Hoffnung für die Familie bestand darin, die Soldaten davon zu überzeugen, dass er die Familie bereits gefangen genommen hatte.
    Er schleppte sich hinter ihnen her, so schnell er konnte, und als sie die Tür erreichten, schob er sich an ihnen vorbei, zog seine Waffe und bedeutete ihnen draußen zu bleiben. Einer der Soldaten entriss Toby die Waffe, doch Toby öffnete die Tür, hob die Bodenklappe an und befahl der verängstigten Familie, nach oben zu kommen. Kreidebleich und zitternd vor Angst funkelten sie Toby an, weil er sie scheinbar verraten hatte, nachdem sie ihn gerettet hatten. Toby zeigte auf sie und dann auf sich. »Meine Gefangenen!«, sagte er. »Meine Gefangenen!« Er schnappte sich die Mutter und schleuderte sie gegen die Wand, dann die Tochter und die beiden Söhne. Er deutete auf die Brust eines der Soldaten, wo eine Medaille prangte, dann auf seine eigene, wo eine neue Medaille sitzen würde, wenn er die Gefangenen abliefern würde.
    »Meine Gefangenen! Meine Gefangenen!«, wiederholte er.
    Schließlich verstanden die Russen. Sie lächelten, klopften Toby auf die Schulter und gaben ihm seine Waffe zurück. Toby hielt sie der Mutter an die Schläfe, um die Farce zu vervollständigen. Lachend ließen die Soldaten ihre Waffen sinken.
    »Amerika! Amerika!«, sagten sie und verließen kopfschüttelnd die Hütte.
    Als sie fort waren, zwinkerte Toby und grinste seine Gefangenen an, steckte zu deren Überraschung die Waffe wieder in den Halfter und umarmte die Mutter. Als ihr klar wurde, dass er ihr Leben gerettet hatte, fing sie an zu weinen.
    Doch die Freude währte nur kurz, bis die Mutter und ihre Kinder merkten, dass der Vater nicht zurückgekehrt war. Sie wollten draußen nach ihm suchen, doch Toby warnte sie mit plumper Zeichensprache vor der Gefahr und überzeugte sie zu bleiben. Später am nächsten Tag, nachdem Toby sichergegangen war, dass die Russen das Gebiet verlassen hatten,

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