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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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einem unsichtbaren Gericht erfolgt, nicht vorgeladen, es treten Zeugen auf, denen der Angeklagte nicht gegenübergestellt wird, während er von einem Anwalt vertreten wird, der gleichzeitig Ankläger ist, und die ganze Sache wird vom Richter beendet, noch bevor irgendjemand als Verteidiger auftreten kann? Im Himmel können die Prozesse doch nicht schlampiger geführt werden als auf der Erde.«
    Luas funkelte mich an. »Sag so was nie wieder, Brek«, warnte er mich. »Hier geht es um göttliche Gerechtigkeit, nicht um menschliche. Wir haben kein Recht, sie zu hinterfragen. Gott und Gerechtigkeit sind eins.«
    Haissem berührte meinen Arm, um mich zu beruhigen. »Ich verstehe deine Sorge, Brek«, sagte er sanft. »Aber du kannst sicher sein, dass die Verhandlung von Toby Bowles’ Seele ordnungsgemäß verlief und ein korrektes Ergebnis erzielt wurde. Das wird dir klarwerden, wenn du deinen ersten Fall präsentiert hast. Ich muss euch jetzt verlassen, aber wir sehen uns wieder. Bei Luas bist du in guten Händen, auch wenn unsere Auffassungen gelegentlich voneinander abweichen.«
    Haissem und Luas verbeugten sich höflich voreinander. Als Haissem gegangen war, sagte Luas: »Er ist der älteste Präsentator hier, aber manchmal frage ich mich, ob seine Zeit nicht um ist. Was er sagt, klingt mitunter sehr gefährlich.«

12
    Mein einziger Trost in Schemaja war, dass ich Orte besuchen konnte, an denen ich mich zu Lebzeiten so gerne aufgehalten hatte. Sie waren alle da, genaue Nachbildungen meines Hauses, meiner Stadt, meiner Welt. Nur die Menschen fehlten, als ginge ich durch ein leeres Filmstudio. Es waren einsame Besuche, allerdings fühlte ich mich am Anfang durch diese Einsamkeit getröstet. Ich brauchte Abstand zu Luas, zum Gerichtssaal und zu Nana, zu den Erinnerungen und dem Leben anderer Seelen. Also ging ich nach Hause, aber nicht, um zu trauern. Ich wagte nicht, in Sarahs Zimmer oder Bos Büro zu blicken, weil ich sonst zusammengebrochen wäre. Ich wollte einfach wieder glücklich sein.
    Um mit meinem Tod fertig zu werden, ging ich als Erstes, als ich nach Hause kam, meiner Lieblingsbeschäftigung nach, der ich zu Lebzeiten gefrönt hatte – Einkaufen. Wenn Gott mich schon in diesem sadistischen Niemandsland stranden ließ, in dem mich alles an die verlorenen Freuden des Lebens erinnerte, konnte ich mich genauso gut diesen Freuden hingeben. Ich ging ins Einkaufszentrum und … oh Mann, was ich nicht alles einkaufte. Das war ausnahmslos meine bisher tollste Einkaufstour: keine Warteschlangen, keine Menschenmengen, keine drängenden Verkäufer, das ganze Einkaufszentrum nur für mich. Und das Tollste: Alles war kostenlos. In gewisser Hinsicht fühlte ich mich wie im Himmel.
    Ich tauschte das schwarze Seidenkostüm, das ich seit meiner Ankunft in Schemaja getragen hatte, gegen einen hübschen, unsäglich teuren Minirock und ein Oberteil aus, das ich einer verdutzten Puppe klaute. Ich drang in Lagerräume ein, brach Schaukästen auf und warf meine Beute – Kleider, Schuhe, Accessoires, Schminkzeug und Schmuck für die ständig wechselnden Jahreszeiten – auf Kleiderstangen, die unter der Last zusammenzubrechen drohten. Ich zog mich aus und probierte die Kleider mitten im Laden an, statt mich in eine Umkleidekabine zu zwängen. Wenn mir etwas nicht gefiel, warf ich es einfach hinter mich und ging weiter. Nur meine Fähigkeit, alles fortzuschaffen, setzte meiner Dekadenz eine Grenze. Wie ein Plünderer nach einem Wirbelsturm fuhr ich das Auto mit geöffneter Heckklappe direkt vor die Tür und packte es voll bis unters Dach.
    Nachdem ich den ganzen Tag so verbracht hatte, begab ich mich in die Fressmeile und besorgte mir einen doppelten Cheeseburger und einen Milchshake, die samt fünf Keksen mit weißer Schokolade und Macadamianüssen wie aus dem Nichts auf dem Tresen erschienen. Nur ein irgendwie haftengebliebenes Gefühl von Anstand hielt mich davon ab, das Essen in mich hineinzuschaufeln. Ein Völlegefühl verspürte ich nie. Ja, das war tatsächlich wie im Himmel.
    Wieder zu Hause, war ich so erschöpft, dass ich alles im Wagen ließ und auf dem Sofa zusammenbrach. Zu meiner Freude funktionierte wenigstens der Fernseher und zeigte alles, solange es aufgezeichnet war, wie Filme und Serien. Auf den Sendern, auf denen eigentlich Nachrichten, Sport oder der Wetterbericht laufen sollten, erschien nur ein weißes Bild. Das fand ich ganz in Ordnung. Ich döste immer wieder ein, sah mir, selig, wie ich war,

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