Was danach geschah
Es ist die Arbeit des Druckermeisters Albrecht Bosch, der in der Bauhaus-Schule studierte, bevor er vor den Nazis nach Chicago floh. Bosch überzeugte Amina, neben der Zeitung auch Bücher herauszugeben und ihn als Herstellungsleiter einzustellen. Der Entwurf des Verlagszeichens, angeregt von einer frühen Fotografie von Bette Rabun, sorgte für die notwendige Überzeugungskraft.
Der Grossist am anderen Ende der Leitung begreift schließlich die Bedeutung von Aminas Worten und gewährt die zehn Prozent Rabatt, die er, wie er sie wissen lassen möchte, von seiner Provision abzweigen wird. Sie dankt ihm zwar für sein Entgegenkommen, spürt aber keineswegs Dankbarkeit oder Mitleid. Der Cheektowaga Register ist sein größter Kunde, und er hat sich nur selbst einen Dienst erwiesen.
Lächelnd legt Amina den Hörer auf, zündet sich eine Zigarette an und nimmt den Mann an der Tür in Augenschein. Sie kennt ihn noch nicht, doch seine Sorge ist ihr vertraut. Drei andere wie er traten bereits in ihr Büro, alle vermittelten die gleiche Angst, alle standen in ihrer Schuld, auch wenn sie darüber irgendwie ungehalten wirkten.
Vor zehn Tagen hieß dieser Mann Gerhardt Haber. Zwölf Jahre zuvor war er Oberst der SS-Einsatztruppen Gerhardt Haber. Diese Nachricht hatte ihr Hans Stössel in einem Telegramm mitgeteilt und gefragt, ob sie bereit sei, einer weiteren deutschen Familie zu helfen, so wie ihr einst geholfen worden war. Seit dem Fall des Dritten Reichs war die Familie Haber auf der Flucht und lebte in unzumutbaren Verhältnissen im Paraná-Tal in Argentinien. Die Nazi-Jäger hatten sie sogar in Südamerika ausfindig gemacht.
»Völlig falsch«, versicherte Stössel ihr in Bezug auf die Anschuldigungen gegen Haber als Kriegsverbrecher. Einzelheiten wollte sie nicht hören. Zu viel Wissen ist, wie sie erfahren hatte, gefährlich.
Während Amina in ihrem Büro sitzt und Haber begutachtet, ist sie sich nicht sicher, warum sie diese Risiken auf sich nimmt. Zuerst half sie Juden in Kamenz und jetzt Nazis in Amerika. Tut sie es für den Nervenkitzel, in die Geheimnisse des Lebens und des Todes vorzudringen? Warum auch immer, sie war zu dem Schluss gekommen, dass sowohl die Juden als auch die Nazis schuld an dem waren, was ihr und ihrer Familie in Kamenz passiert war, und sie redet sich ein, dass sie, könnte sie die Uhr zurückdrehen, die Schriebergs von der Gestapo auf einen Zug nach Auschwitz verfrachten und die Habers von den Nazi-Jägern nach Israel bringen lassen würde. Doch die Uhr kann sie nicht zurückdrehen.
Hans Stössel hatte Amina gebeten, Haber und seine Familie mit falschen Ausweisen und neuen Identitäten im Austausch für ein weiteres kostbares Kunstwerk zu versorgen. Sie stimmte zu, und nun war Haber hier, um die Ausweise abzuholen und die Bezahlung auszuhändigen. Die Sache war leicht für Amina. Sie sagte Albrecht Bosch, was er drucken sollte. Das tat er, ohne zu fragen. Schließlich war sie diejenige, die seinen Appetit auf immer ausgeklügeltere Druckmaschinen und weitere Schrifttypen befriedigte.
Amina zog Haber wegen der Auswahl der Namen nicht zu Rate. Nachdem sie selbst nie ein Kind bekommen hatte, bereitete es ihr große Freude, die Menschen, die Herr Stössel ihr schickte, mit neuen Identitäten zu versehen.
Sie schnippt die Asche von ihrer Zigarette. »Kommen Sie rein, und schließen Sie die Tür«, fordert sie Haber auf.
Dies tut Haber, während Amina einen Ausweis aus einer Schublade zieht und ihn begutachtet.
Gerry Hanson ist ein hübscher Name, denkt sie. Zumindest der erste Konsonant und der erste Vokal entsprechen dem Original. Völlig unverdächtig.
Sie reicht Haber den Ausweis zur Prüfung. Seine Augen leuchten, während er den echt aussehenden Ausreisestempel aus Buenos Aires begutachtet, der über die Klauen und Schwanzfedern eines perfekt gefälschten amerikanischen Adlers gedrückt wurde. Das Dokument ist makellos.
»Danke«, sagt er auf Deutsch.
Amina hebt ihre Augenbrauen.
»Entschuldigung«, korrigiert er sich auf Englisch und bedankt sich noch einmal in seiner neuen Sprache.
Amina deutet auf den Besucherstuhl und richtet den Tischventilator in Habers Richtung – nicht, um ihm etwas Gutes zu tun, sondern um seinen aufdringlichen Schweißgeruch zu vertreiben, der sich plötzlich im Büro breitgemacht hat. Sie zieht vier weitere Ausweise aus der Schublade und schlägt sie auf. »Sagen Sie mir noch einmal, wie Ihre Frau und Ihre Kinder heißen und wie alt sie sind«,
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