Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
Vom Netzwerk:
fordert sie ihn auf.
    Nur kurz verliert Haber die Kontrolle über sich, als hätte er plötzlich alles vergessen. »Hanna, 39 Jahre alt; Franz, 15; Glenda, 13; Claudia, 10.«
    Amina prüft die einzelnen Ausweise und schiebt sie über den Schreibtisch zu Haber. »Hanna ist jetzt Helen«, erklärt sie, »Franz ist Frank, Glenda ist Gladys und Claudia ist Cathy.«
    Haber wirkt enttäuscht. Amina runzelt die Stirn. »Gefallen Ihnen die Namen nicht?«, fragt sie.
    Haber schüttelt den Kopf. »Doch, sie sind in Ordnung.« Er will die Frau, die so viel Macht über sein Schicksal hat, nicht beleidigen. Er betrachtet den Ausweis seiner jüngsten Tochter genauer. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, beginnt er schüchtern, »das Geburtsdatum von Claudia – ich meine von Cathy – weicht um mehrere Jahre ab. Angesichts ihres jungen Alters könnte das auffallen.«
    Amina nimmt den Ausweis zurück, prüft ihn, verzieht ihr Gesicht und wirft ihn in den Papierkorb. Haber erstarrt, fürchtet, gerade alles zerstört zu haben. Doch Amina lässt ihre Unzufriedenheit nicht an ihm aus. Sie fragt ihn nach dem korrekten Geburtsdatum, das sie auf ein Blatt Papier schreibt, und ruft ihre Sekretärin. Die erscheint augenblicklich mit einem Stenoblock in der Hand. Amina freut sich, dass ihr Gast Zeuge dieser Effizienz ist.
    »Alice«, sagt sie und reicht ihr das Blatt. »Bringen Sie das bitte in die Druckerei zu Albrecht, und sagen Sie ihm, er muss das Cathy-Hanson-Dokument mit diesem Geburtsdatum noch einmal drucken. Er wird verstehen, was ich meine. Sagen Sie ihm, ich habe es eilig. Die Sache muss bis zum Nachmittag erledigt sein.« Amina erklärt nicht, worum es sich handelt, und Alice fragt nicht. Sie verlässt das Büro, woraufhin sich Haber etwas entspannt.
    Er bedankt sich mit wohlgeformten Worten auf Englisch.
    »Keine Ursache«, erwidert Amina.
    Einen kurzen Moment lang empfindet Amina Mitleid für Haber, doch sie verdrängt dieses Gefühl rasch wieder und kehrt in die Hülle von Amina der Überlebenden zurück.
    »Sie haben etwas für mich?«, fragt sie ungeduldig und blickt auf den Zylinder auf Habers Schoß.
    »Ja, natürlich«, antwortet Haber.
    Er stellt den Zylinder senkrecht, entfernt die Kappe und zieht eine lange zusammengerollte und schmuddelige Leinwand heraus. Eine kleine Rußwolke bildet sich. Er entschuldigt sich für den Schmutz, während er das Gemälde entrollt, das, abgesehen von den verkohlten Kanten, in gutem Zustand ist. Es zeigt eine Beerdigungsprozession unter einem grauen Winterhimmel – ein Sarg wird durch einen mit Schnee bedeckten Kirchhof in die Ruine einer gotischen Kapelle getragen. Der Name rechts unten auf dem Gemälde lautet Caspar David Friedrich.
    Amina berührt lächelnd die Leinwand. Schon seit langem bewundert sie die Maler der Romantik des 19. Jahrhunderts, vor allem Friedrich, der ebenfalls in Dresden lebte. Die private Mädchenschule in Kamenz, auf die Amina ging, nur wenige Straßen entfernt von der Jungenschule, in der Helmut getötet wurde, sorgte per Erlass der Nazis dafür, dass im Unterricht vor allem die deutschen Künstler durchgenommen wurden.
    »Woher haben Sie das?«, will sie wissen.
    Haber zögert. »Es gehört meiner Familie«, antwortet er vage. Sein ausweichendes Verhalten erinnert Amina an die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen, weswegen sie nicht weiter drängt.
    »Es heißt, Friedrich wurde von Runge beeinflusst, aber davon erkenne ich in seinem Werk nichts«, stellt Amina fest. »Und Sie?«
    »Darf ich davon ausgehen, dass Sie zufrieden sind?«, fragt Haber, weil er ihre Frage entweder übergehen will oder nicht verstanden hat.
    »Ja.« Aminas Stimme klingt wieder so kalt wie zuvor, als sie den Grossisten abservierte. Sie stößt den Zigarettenrauch aus und legt die Ausweise in die Schublade zurück. »Hans hat Ihnen mit Sicherheit gesagt, dass ich die Echtheit überprüfen lassen muss. Jemand aus dem Albright-Knox-Museum wird es sich heute Nachmittag ansehen. Da ich davon ausgehe, dass es kein Problem gibt, können Sie um halb fünf Ihre Ausweise hier abholen.«
    Hanson erhebt sich und ringt sich ein Lächeln ab.
    »Ja«, sagt er und neigt leicht den Kopf. »Ich werde hier sein.« Er dreht sich um und verlässt das Büro. Amina schließt die Tür hinter ihm und ruft den Direktor der Gemäldesammlung an.
    Aminas Büro verschwindet, und der Gerichtssaal rückt wieder in den Vordergrund. Hans Stössel steht in der Mitte. Luas, Elymas und ich sitzen hinten auf den

Weitere Kostenlose Bücher