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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kimmel
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Rücken nach unten gleiten. »Nimm dir eine andere, Gautama«, sagte er. »Brek gehört mir.«
    Ich wich entsetzt zurück.
    »Dir scheint der Abend zu gefallen, mein Sohn«, erwiderte Gautama, der sich weder von Tims Bemerkung noch von seinem betrunkenen Zustand beeindrucken ließ.
    Tim packte mich und versuchte, mich auf die Lippen zu küssen.
    »Tim, hör auf!«, rief ich und schob ihn fort. »Was ist nur in dich gefahren?«
    »Was ist los, Brek? Bist du zu gut für mich?«, höhnte er.
    »Ich glaube, es ist Zeit für dich, nach Hause zu gehen, mein Sohn«, riet ihm Gautama.
    »Warum? Damit du sie haben kannst?«, hielt er dagegen. Er zwinkerte ihm zu und stupste ihm mit dem Zeigefinger in die Schulter. »Ich habe dich beobachtet … ich weiß, ihr alten spirituellen Typen habt’s immer noch voll drauf.«
    Gautama lächelte, sagte aber nichts, als hätte er es mit einem unartigen Kind zu tun.
    »Das Problem ist, auch du bist ihr nicht gut genug«, fuhr Tim fort. »Sie treibt’s nur mit jüdischen Jungs. Zufällig weiß ich, dass sie Beschnittene mag. Na, ich würde sagen, es ist Zeit, dass sie herausfindet, wie sich ein echter Mann anfühlt. Warte, bis du an der Reihe bist, Gautama, dann sehen wir, was sie denkt. Es wird nicht lange dauern.«
    Als Tim auf mich zusprang, schrie ich auf, doch Gautama trat vor und wirbelte ihn herum.
    »Gute Nacht, meine Tochter«, sagte er und führte Tim am Arm fort. »Genieß den Rest des Abends.«

27
    Völlig aufgewühlt verließ ich den Empfang. Zum ersten Mal in Schemaja fürchtete ich um meine Sicherheit. Doch gab es überhaupt etwas, wovor man Angst haben musste? Kann eine menschliche Seele vergewaltigt werden? Oder kann man ihr auf andere Weise schaden? Tim Shelly sah aus wie ein Mann mit dem Körper eines Mannes. Ich hatte seine Hand auf meinem Rücken gespürt, auf meinem Körper. Aber nichts davon existierte – und irgendwie doch. Wie konnte Antisemitismus selbst im Tod fortbestehen? Ich war nicht jüdisch und hatte Tim gegenüber nicht erwähnt, dass Bo es war. Woher wusste er es, und warum spielte es eine Rolle? Das ergab alles keinen Sinn.
    Tims Art, mich anzusehen, hatte etwas Kaltes und Böses. Was war mit diesem netten Kerl passiert, der dachte, er sei eine Kellnerin, und der mit seinem Vater gezeltet hatte – der Kerl, der mit mir in Tara gewesen, mit mir auf der Karavelle gesegelt und besorgt darüber war, wie seine Mutter mit seinem Tod zurechtkam? Vielleicht stand er einfach nur unter dem Einfluss von Alkohol … aber wie kann eine menschliche Seele Alkohol zu sich nehmen, geschweige denn sich davon beeinflussen lassen?
    Ich ging den langen Flur mit den Büros entlang. Eine Eiseskälte durchfuhr mich, als ich an Tims Büro vorbeikam, die aber nichts war im Vergleich zu dem Stich, den ich spürte, als ich meinen Namen an der Tür neben der seinen entdeckte, eingraviert auf einem nagelneuen Schild: »Brek Abigail Cuttler, Präsentatorin«.
    Die Tür war unverschlossen. Das Büro sah genauso aus wie das von Luas: kleiner Schreibtisch, zwei Stühle, zwei Kerzen, keine Fenster. Ich war nicht die Erste, der dieses Büro zugewiesen worden war: Die beiden Kerzen waren ungleichmäßig abgebrannt. Wachs war an ihnen und über die Messingständer heruntergelaufen. Es war ein beengender, kleiner Raum, ein Beichtstuhl in einer verfallenen Kathedrale. Die Luft war schwer und feucht, beladen mit den Sünden derjenigen, die hier ihr Leben ausgeatmet hatten. Doch es war meins. Ich zündete die Kerzen an, schloss die Tür und setzte mich, das Alleinsein genießend, hinter den Schreibtisch.
    Und schon wurde an die Tür geklopft.
    Tim?
    Leise huschte ich um den Schreibtisch herum und klemmte den Gästestuhl unter den Türknauf.
    Wieder wurde geklopft. »Darf ich bitte eintreten?«, meldete sich eine asiatisch klingende, fremde Mädchenstimme.
    »Wer ist da?«, fragte ich und schob den Stuhl noch fester unter den Türknauf.
    »Ich heiße Mi Lau. Ich kannte deinen Onkel Anthony. Ich habe gesehen, wie du vom Empfang weggegangen bist.«
    »Anthony Bellini?«, vergewisserte ich mich.
    »Ja. Darf ich reinkommen?«
    Ich zog den Gästestuhl von der Tür und öffnete sie. Was draußen auf dem Flur stand, war so grässlich und abstoßend, dass ich vor Schreck zurückzuckte und die Tür wieder zuknallte. Ein junges Mädchen stand nämlich dort, ihr Körper bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und immer noch rauchend, als wären die Flammen eben erst gelöscht worden. Der größte Teil

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