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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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erklärte Min mit vollem Mund und schob seinen Teller von sich.
    »Wenn du das machst, bring ich dich um«, drohte Soo-Ja und eilte wieder an die Rezeption.
    Sie hatte genug von den Überredungsversuchen. Und sie konnte es nicht erwarten, ihrem Vater zu berichten, dass sie ihm endlich das Geld zurückzahlen würde. Bald würde sie ihn besuchen, mit einem Scheck im Gepäck.
    Die vergangenen acht Jahre hatte Soo-Ja mit permanenten Schuldgefühlen gelebt. Ständig musste sie an das Geld denken, das er ihretwegen verloren hatte. Ihr Vater war mittlerweile über sechzig und hätte die Früchte seiner lebenslangen Arbeit genießen und sich erholen sollen, während Soo-Ja und ihre Brüder sich um ihn kümmerten. Doch Soo-Ja hatte ihm in dieser Phase seines Lebens nicht helfen können; nicht zuletzt deshalb, weil sie in eine andere Stadt gezogen war.
    Ihre Brüder lebten noch immer in Daegu, aber Tae, der Erstgeborene, hatte gegen den Vater aufbegehrt. (Er war der Ansicht, dass sein Vater Soo-Ja ihm vorzog.) So war es jetzt Kwang-Ho, das jüngste Kind, das sich zwar gewissenhaft, aber doch widerstrebend um die Eltern kümmerte – eigentlich die Pflicht des Ältesten.
    Seit Soo-Ja nach Seoul gezogen war, hatte sie versucht, die Gedanken an ihre Familie zu verdrängen. Trotz allem litt sie sehr, als das Anwesen ihrer Vorfahren nicht mehr zu halten gewesen war und die Familie in eine kleine Wohnung umsiedeln musste. Jetzt – endlich – konnte sie alles wiedergutmachen.
    »Eomma, kannst du mir bitte Vater geben?«, bat Soo-Ja aufgeregt.
    Es war spät am Abend, und Soo-Ja saß in der kleinen Kammer, die ihr als Büro diente. Das Tagwerk war erledigt, jetzt konnte sie in Ruhe mit ihrem Vater telefonieren.
    »Soo-Ja, bist du das? Ich weiß gar nicht mehr, wie die Stimme meiner Tochter klingt«, antwortete die Mutter.
    »Bitte, Eomma.« Soo-Ja wollte sich die gute Laune nicht nehmen lassen. »Gib mir Vater.«
    »Ich sage ja bloß, dass du lange nicht mehr angerufen hast. Und über Seollal warst du auch nicht zu Hause.«
    »Ich weiß, es tut mir leid.«
    »Wenn du nicht mal über die Feiertage nach Hause kommst, wann dann?«
    »Eomma, bitte hol Vater. Ich habe gute Nachrichten für ihn.« Soo-Ja hörte ihren Vater leise im Hintergrund reden. Ihr Herz hüpfte vor Freude, bis ihr klar wurde, dass er sang. Auch hatte sie das Zögern in der Stimme ihrer Mutter gespürt, bevor diese den Hörer schließlich weiterreichte.
    »Soo-Ja? Bist du das?« Er klang, als hätte er ein Mikrofon verschluckt. Seine Worte dehnten sich wie Kaugummi.
    »Hallo, Appa.«
    »Deine Mutter will mir nichts vorsingen! Niemand will mir etwas vorsingen! Aber du tust mir den Gefallen, ja?«
    »Nein, Appa, ich … « Besorgt zog Soo-Ja die Stirn kraus. Die Telefonschnur baumelte ihr wie ein widerspenstiges Armband ums Handgelenk.
    »Sing mir was vor! Sing mir was vor!«
    »Appa, du wirst Kwang-Ho aufwecken. Er muss morgen früh aufstehen.« Soo-Ja hörte Stimmen im Hintergrund und glaubte, ihren Bruder zu erkennen. Seit Monaten hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen.
    »Kwang-Ho ist nicht mehr mein Sohn!«, rief der Vater laut. »Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
    »Appa, du wohnst in seinem Haus. Er kümmert sich um dich.«
    »Er schleift mich aus der Sul-jib und stellt mich vor meinen Freunden bloß. Was ist das denn für ein Sohn?«
    Soo-Ja schloss die Augen. Die Trunkenheit des Vaters entsetzte sie. Dann wurde der Hörer weitergegeben, und sie vernahm wieder die Stimme ihrer Mutter.
    »Soo-Ja, dein Vater ist müde. Ruf doch morgen noch einmal an.«
    »Was ist nur los mit ihm? Warum lasst ihr ihn so viel trinken?«, fragte Soo-Ja. Sie zog so heftig am Telefonkabel, dass sie es beinahe abriss.
    »Dein Vater macht eine schwierige Zeit durch. Er kann nicht damit umgehen, auf Kwang-Hos Kosten zu leben. Er war ja noch nie auf andere Menschen angewiesen, bisher kamen alle zu ihm, um sich Geld zu leihen. Jetzt ist es umgekehrt. Er hat nichts mehr. Denk daran, er war einmal der reichste Mann von Won-dae-don.«
    Als Soo-Ja ein kleines Mädchen gewesen war und ihrem Vater die größte Fabrik im Ort gehört hatte, war sie immer dabei gewesen, wenn er Besuch von Bittstellern bekommen hatte. Verwandte – echte und falsche – und Freunde von Freunden hatten ihn aufgesucht und ihm ihre Probleme geschildert. Manche behaupteten, ihre Tochter würde heiraten, wenn sie das Geld für ihre Geliebte brauchten. Andere baten um einen Zuschuss für die Beerdigung eines

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