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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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nach hinten und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie stand auf und ging den Gang entlang. Im Bus war es still – fast schon zu still, als hätten die anderen Passagiere gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Soo-Ja blickte Yul an, doch plötzlich stand ein Mann ganz vorne auf und verstellte ihm mit dem Rücken den Weg. Er trug eine Polizeiuniform.
    Soo-Ja keuchte vor Schreck und legte sich dann die Hand vor den Mund, um ihre Reaktion zu verbergen. Die Sekunden dehnten sich endlos, während der Polizist vor Yul stand und dieser wie erstarrt innehielt. Yul blieb ganz ruhig und gab keinen Laut von sich, aber Soo-Ja sah, dass er seine Hand vorsichtig an den Gürtel führte. Sie fragte sich, ob er eine Pistole trug und ob er sie wohl benutzen müsste. Nur zwei oder drei Sekunden vergingen, doch sie fühlten sich an wie hundert Jahre. Endlich ging der Polizist, der nur einige Dinge von seinem Sitz aufgehoben hatte, weiter und stieg aus, als wäre nichts geschehen.
    Soo-Ja seufzte vor Erleichterung und beobachtete, wie auch Yuls Körper sich wieder entspannte.
    Soo-Ja und Yul gingen an einer langen Reihe von Hütten vorbei, alle mit Strohdächern und ungleichmäßigen Wänden aus verschieden großen Steinen. Die Behausungen standen gefährlich nah am Abhang einer Anhöhe, am Ende eines schmalen Serpentinenweges, der nicht von Autos, sondern höchstens von Ochsenkarren befahren werden konnte. Soo-Ja fiel auf, dass Yul es ihr überließ, das Tempo zu bestimmen. Kurz bevor sie oben angekommen waren, wollte ein Mann mit einer kaputten Schubkarre sie überholen, und sogleich schirmte Yul seine Begleiterin diskret mit seinem Körper vor dem Fremden ab. Soo-Ja sah ihn an, um ihm zu danken, aber er schaute geradeaus, als wäre nichts geschehen.
    Als sie endlich bei der gesuchten Adresse angekommen waren, trafen Soo-Ja und Yul auf eine Frau, die vor der Strohtür hockte und ihre Kleider mit einer Stange im Waschzuber hin- und herstieß, so wie Soo-Ja es schon tausendmal bei ihren Dienstboten beobachtet hatte. Die Frau trug ein hellgraues Hemd, dessen lange Ärmel sie hochgekrempelt hatte, und einen dunkelgrauen, knielangen Rock. Ihre Hände steckten tief in der schmutzigen Brühe, die vom Waschbrett Richtung Rinnstein lief.
    »Guten Tag, Frau Yang. Ich bin Soo-Ja Choi«, stellte Soo-Ja sich vor und verbeugte sich.
    Mit ernster Miene verbeugte die Frau sich ebenfalls. Sie hatte ein mondförmiges Gesicht ohne Ecken und Kanten. Ihre Haut war sonnengebräunt und ihr dunkles, kurzes Haar dick und drahtig.
    Soo-Ja versuchte ein Lächeln und deutete auf Yul. »Und das ist Herr Kim.« Yul verbeugte sich.
    Chu-Sooks Mutter erwiderte die Geste, indem sie beide Hände auf den Rücken legte und den Kopf einige Sekunden lang unten hielt. Diese Körpersprache empfand Soo-Ja als extrem unterwürfig. Sie selbst beschränkte ihre Verbeugungen auf das Nötigste, machte beinahe ein einfaches Nicken, eine schnelle Bewegung daraus. Als die Frau wieder aufschaute, bemerkte Soo-Ja eine Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck. Chu-Sooks Mutter hatte inzwischen Gelegenheit gehabt, Yul kurz zu betrachten, und schien ihn zu erkennen. Soo-Ja beobachtete, wie ihr anfängliches Interesse sich in Angst verwandelte.
    »Nein, ich kann nicht mit ihm sprechen«, sagte sie laut und schüttelte den Kopf. »Jeder, der zuschaut, kann sehen, dass ich nicht mit ihm spreche!«
    »Frau Yang, es ist alles in Ordnung. Er ist ein Freund«, beschwichtigte Soo-Ja und berührte die Frau an der Schulter.
    Doch die ruderte wild mit den Armen und blickte sich nach Spionen um – echten oder eingebildeten.
    Soo-Ja warf Yul einen Blick zu; er schien ganz ruhig zu bleiben. Sie fragte sich, ob ihm klar war, wie intensiv die Polizei ihn inzwischen überwachte. Aber Yul machte sich darüber anscheinend keine Sorgen. Er trat einen Schritt auf Soo-Ja zu, um sich mit ihr zu beraten, und auch sie rückte näher an ihn heran. Zwischen ihnen herrschte eine ungekünstelte, selbstverständliche Intimität.
    »Sie müssen ihr mein Bild gezeigt und ihr verboten haben, mit mir zu reden«, flüsterte Yul. Soo-Ja nickte zustimmend. Wenn dem Jungen etwas passiert war, dachte sie, hatten Polizei und Regierung vermutlich sofort den Ernst der Lage begriffen. »Wenn wir beweisen können, dass sie einen Zwölfjährigen auf dem Gewissen haben, können wir die öffentlic he Meinung ändern . Wir zeigen allen, wie brutal das Regime vorgeht.« Yul wandte sich wieder an Chu-Sooks Mutter, um einen neuen Anlauf zu

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