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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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»Es ist schwer, sein Glück zu finden. Das verstehe ich immer besser mit jedem Jahr, das vergeht. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich dir den Heiratsantrag gemacht habe, kurz vor deiner Hochzeit. Dieser Tag hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt, und ich kann das, was du damals zu mir gesagt hast, aufsagen wie Zeilen aus meinem Lieblingslied. Es stimmt nicht, dass ich dich acht Jahre lang nicht gesehen habe, denn ich hatte Bilder von dir im Kopf, die ich sorgsam gehütet habe. Ich habe sie nicht einfach so verbraucht, sondern mir sparsam eingeteilt. Jedes Bild ist nämlich irgendwann verschwunden. Ich besaß ein Bild, sah es mir an – und dann war es weg. Selbst in meinen Erinnerungen warst du schwer zu fassen.« Das Verlangen in seiner Stimme brachte Soo-Jas Herz zum Schmelzen. »Muss ich den Rest meines Lebens hinter dir herlaufen? Viel ist mir nicht von dir geblieben, nur das Bild von dem einen Tag, als du mit tintenverschmierten Fingern vor mir standest. Ich male mir so oft aus, was passiert wäre, wenn du Ja gesagt hättest. Dann wäre alles ganz anders gekommen.«
    »Ich denke auch oft an diesen Tag«, sagte Soo-Ja. »Da bist du nicht der Einzige.«
    »Wenn ich meine Frau verließe, würdest du dann … «
    »Bitte sag nichts mehr.«
    Soo-Ja hörte einen Gast näher kommen und schob Yul in eine dunkle Nische unter der Treppe, wo sie zusammen warteten, bis der Mann vorbeigegangen war. Dann drehte sie sich zu Yul um und blickte in sein ernstes Gesicht, in seine traurigen, verzweifelten Augen.
    »Soo-Ja … ich liebe dich.«
    Seine Worte liebkosten sie, und als er seine Lippen auf ihre legte, wehrte sie sich nicht. Einen Moment lang standen sie ganz ruhig da, während ihr Atem sich vereinigte. Sie spürte die warme Luft, die er ausatmete, und obwohl sie sich nicht küssten, breitete sich eine große Zärtlichkeit zwischen ihnen aus, die über Soo-Jas Haut strich wie ein Seidentuch.
    In den alten Geschichten, die Soo-Jas Vater ihr als Kind vorgelesen hatte, hatte er immer genau dann aufgehört, wenn die Erzählung einen Höhepunkt erreicht hatte. Erst am nächsten Tag oder noch später hatte er weitergelesen. Als Soo-Ja älter wurde, begriff sie natürlich, dass das wahre Leben nicht so strukturiert war wie diese Geschichten. Man mochte etwas Außergewöhnliches erleben, wie den ersten Kuss oder den Sieg bei einem Rennen, aber direkt danach konnte etwas furchtbar Banales passieren. Vielleicht fiel einem ja ein, dass man die Tongefäße putzen, den Nachttopf leeren oder Essen auf dem Markt kaufen musste. Das große Ereignis des Tages hatte man bald wieder vergessen. Und obwohl die ganzen damit verbundenen Gefühle beim Nacherzählen wieder hochkamen, wurde es zu einer bloßen Anekdote, ganz so, als hätte es auch jemand anderem passiert sein können.
    Ungefähr so fühlte sich Soo-Ja, als Min einige Stunden später wütend ins Hotel gestürzt kam, das Gesicht so rot wie eine reife Mango. Die Knöpfe seines Hemdes waren offen, sodass man sein Unterhemd sehen konnte, und sein Körper strahlte eine Energie aus, die man meterweit spüren konnte. Er hatte gerade erst erfahren, was passiert war. Wie merkwürdig , dachte Soo-Ja, er ist genauso betrunken wie Herr Shim, und er regt sich so sehr darüber auf, dass Herr Shim mir wehtun wollte, dass er eigentlich ganz ähnlich klingt wie er. Der einzige Unterschied zwischen ihnen war anscheinend, dass sie mit einem der beiden Männer verheiratet war und der andere sie angegriffen hatte.
    »Wo ist er?«, brüllte Min.
    »Weg«, sagte Soo-Ja nach einer Pause. Sie wusste natürlich, dass er Herrn Shim meinte, aber für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie, er spräche von Yul.
    Min rannte wieder hinaus.
    »Wo willst du hin?«, fragte Soo-Ja und lief ihm nach.
    »Ihn suchen!«, schrie Min.
    »Lass das! Du wirst ihn nie finden. Und in einer Stunde ist Ausgangssperre. Ich will nicht, dass du in deinem Zustand einen Polizisten triffst.« Soo-Ja packte ihn am Arm und zog ihn wieder hinein.
    »Lass mich los! Ich will ihn suchen! Kein verdammter Hurensohn fasst meine Frau an!«
    »Reiß dich zusammen!« Soo-Ja drückte ihn auf einen Stuhl, auf dem er widerwillig Platz nahm. So nah bei ihm konnte sie Hühnchen und Bier in seinem Atem riechen, und dazwischen seinen eigenen Körpergeruch. Die letzte Stunde konnte sie sich mühelos ausmalen: Er war von der Sul-jib zum Hotel gerannt. Seine Sandalen klatschten auf den Boden, während er mit besorgter Miene durch die Straßen lief

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