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Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
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hatten. (Soo-Ja selbst hatte bei den seltenen Anlässen, an denen sie gemeinsam mit Freunden Alkohol trank, niemals Probleme aufzustehen; sie bekam rote Wangen und genoss das herrliche Gefühl, und das war es auch schon.) Aber die Männer in Seoul führten sich auf wie die Filmhelden im Kino – nicht, weil sie so wenig vertrugen, sondern weil sie einfach gerne eine Show abzogen. Sie waren wie die Kiesang – die Geishas, die sangen, tanzten und sich produzierten.
    Soo-Ja trat hinter den Tresen und warf Herrn Shim einen missbilligenden Blick zu in der Hoffnung, er würde in sein Zimmer verschwinden. Herr Shim war ein kleiner, dicker Mann Anfang vierzig, der ein graues Hemd und ein schwarzes Sakko mit kleinen weißen Punkten trug. Er hatte eine Stirnglatze, kämmte aber die verbliebenen Haare nach vorne, sodass die einzelnen Strähnen wie Fäden auf seiner verschwitzten Kopfhaut klebten. Das Auffälligste an ihm aber war sein unaufhörliches, manisches Lächeln, als hätte er irgendwo gelesen, dass ein Lächeln Türen öffnet, sich eins bestellt und es angezogen wie eine Prothese.
    »Sie sind eine sehr hübsche Agassi«, sagte er und musterte sie von der anderen Seite des Tresens aus.
    »Ich bin keine Agassi, sondern eine Ajumma. Ich bin verheiratet«, gab Soo-Ja spitz zurück.
    »Das stimmt doch gar nicht. Wenn Sie einen Ehemann hätten, würde er sie nicht als Hausdame arbeiten lassen, wo sie mit so vielen fremden Männern zu tun haben.« Er schaute sie tadelnd an, als hätte er sie bei einer Lüge ertappt.
    »Nennen Sie mich nicht Hausdame«, verlangte Soo-Ja. »Ich bevorzuge den französischen Begriff concierge , der sowohl für eine Frau als auch für einen Mann benutzt werden kann.«
    »Ich hatte also recht, Agassi, Sie sind alleinstehend, und das heißt, Sie können mit mir ausgehen.«
    »Haben Sie beim Einchecken das zwölfjährige Mädchen bemerkt? Das ist meine Tochter.«
    »Im Moment sehe ich sie jedenfalls nicht. Und einen Mann genauso wenig. Versteckt er sich vielleicht unter dem Tresen?«, neckte Herr Shim. »Soll ich kurz die Augen schließen, damit er wie von Zauberhand erscheint?« Jetzt lehnte er sich auf den Tresen, sodass sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt war.
    »Bitte gehen Sie auf Ihr Zimmer«, sagte Soo-Ja ernst.
    »Ich werde gehen, aber nur, wenn Sie mir vorher noch ein Glas Maegju einschenken.« Er zeigte auf die Flasche Bier, die er auf den Tresen gestellt hatte.
    »Das hier ist keine Bar, und ich bin keine Bardame. Ich kann Ihnen kein Bier einschenken.«
    »Kommen Sie schon, gießen Sie mir ein Glas ein«, beharrte er und deutete auf ein Teeservice für die Gäste, das am Ende des Tresens auf einem Tablett stand. Es bestand aus drei leeren Porzellanbechern und einer Teekanne.
    »Herr Shim, warum gehen Sie nicht zurück in die Sul-jib, aus der Sie gerade kommen?«
    Herr Shim ging zum Ende des Tresens, nahm das Teeservice an sich und stellte zwei Becher vor Soo-Ja, dazu die Bierflasche. Dann forderte er sie mit einer Handbewegung auf, ihm das Bier einzuschenken. Als er merkte, dass sie sich weiterhin weigerte, packte er geschwind die Becher und warf sie auf den Boden, wo sie in tausend Stücke zersprangen. Soo-Ja war schockiert, wie schnell sich seine Flirtversuche in Wut verwandelt hatten.
    Zuerst sagte sie nichts, denn sie war noch immer verdutzt. Ihr Mund war trocken und brachte die Worte kaum hervor: »Gehen Sie auf Ihr Zimmer.« Herr Shim ignorierte sie und blieb weiter am Tresen stehen. Soo-Ja fühlte sich wie in einer Falle und wollte hinter dem Tresen hervorkommen. Doch sobald sie einen Schritt nach links machte, folgte Herr Shim ihr. Da ging sie nach rechts, aber er verstellte ihr wieder den Weg.
    »Lassen Sie mich durch!«, rief Soo-Ja.
    »Na schön, meinetwegen.«
    Er trat zurück und ließ sie passieren. Doch gerade, als sie die Rezeption verlassen wollte, lief er zum anderen Ende des Raums und stieß einen Eichenstuhl und eine Topfpflanze um. Soo-Ja blieb erschrocken stehen und sah entsetzt zu, wie ihr Arbeitsplatz – und damit auch ihr Zuhause – von diesem Mann verwüstet wurde. Sie rechnete damit, dass der Lärm andere Gäste aus ihren Zimmern locken würde, aber keiner kam, und da wurde ihr plötzlich klar, dass sie ganz allein mit ihm war. Die Sekunden, die ihr bevorstanden, konnten sich zu Minuten dehnen. Das Herz trommelte in ihrer Brust; ihr ganzer Körper war im Alarmmodus. Irgendwie musste sie aus der Rezeption hinausgelangen. Als sie auf die Tür zueilte,

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