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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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ihm die Hand zu reichen.
    Fahd und Abdullah warfen ihrem Neffen, dem König, einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor sie Kamal folgten, begleitet von Yamani, Faisal und Méchin. Schweigen senkte sich über den Raum, das die Bestürzung, die Nervosität und die Unentschlossenheit der Zurückgebliebenen verriet. Saud trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch, während Tariki ihn tadelnd ansah.
    »Ich werde ihn töten lassen«, sagte der König schließlich.
    »Nichts dergleichen wirst du tun«, stellte Tariki klar. »Wenn du ihn töten lässt, schaufelst du dir dein eigenes Grab, weil alles auf dich hinweisen wird. Derzeit hätte keine Gruppierung im Nahen Osten etwas von seinem Tod, und keine westliche Regierung würde ihren Geheimdienst losschicken, um ihr Ziehkind und ihren zukünftigen Verbündeten auszuschalten. Am Ende würdest du als der einzig mögliche Mörder übrig bleiben. Was glaubst du, warum er fast einen Monat in Washington und New York gewesen ist? Wenn du Kamal loswerden willst, musst du anders vorgehen. Du musst nach seiner Schwachstelle suchen, seiner Achillesferse, und dann hart und erbarmungslos zuschlagen. Was ist mit dieser Christin, die du erwähnt hast? Was ist über sie bekannt?«
    Saud ließ seine Leibwächter el-Haddar und Abdel rufen und trug ihnen auf, sich mit Malik, seinem Spion in der argentinischen Botschaft, in Verbindung zu setzen.
    ***
    Im anderen Flügel des Palasts versammelte sich die Gruppe, die soeben die Räume des Königs verlassen hatte, in Abdullahs Büro. Nach Sauds harschen Worten hatte niemand mehr einen Ton gesagt, und während sie über den Vorfall und seine Folgen nachdachten, tranken sie starken Kaffee und ließen ihre bunten Gebetskettchen spielen.
    »Hier werde ich mich nicht unterhalten«, sagte Kamal plötzlich. »Dieser Raum muss völlig verwanzt sein.«
    »Keine Sorge«, entgegnete Abdullah. »Ich lasse das Büro jeden Morgen durchsuchen, bevor ich mit der Arbeit beginne.«
    Faisal stellte Kamal Fragen zu seiner Nordamerikareise, und sie widmeten sich tagespolitischen Fragen. Niemand erwähnte Sauds ungeschicktes und unangebrachtes Verhalten, aber allen ging der gleiche Gedanke durch den Kopf: dass seine Tage als König gezählt waren. Seine Extravaganzen und sein ausschweifendes Leben, die so gar nicht im Einklang mit den islamischen Dogmen über die Mäßigung des Fleisches standen, waren der Familie schon längst ein Dorn im Auge. Diese hatte von Anfang an bemerkt, dass es Abdul Aziz’ Nachfolger an Intelligenz und an Charisma fehlte. Faisal, der die sofortige Rückbesinnung auf den Koran für das einzige Mittel hielt, um zur früheren Größe zurückzufinden, hatte das stärkste Interesse daran, die Skandalherrschaft seines älteren Bruders zu beenden, und drängte Kamal ein weiteres Mal, unverzüglich das Amt des Premierministers zu übernehmen.
    »Das werde ich nicht tun, Faisal«, erklärte Kamal. »Ich werde das Amt des Premierministers nicht akzeptieren, solange mir nicht garantiert wird, dass ich in Wirtschafts- und Finanzfragen völlig freie Hand habe. Ich will im Wirtschafts- und Ölministerium nach Belieben schalten und walten können und werde nicht zulassen, dass Saud überall seine Nase hineinsteckt und alles in Frage stellt. So etwas wie 1958 will ich nicht noch einmal erleben.«
    Sie diskutierten über eine Stunde. Am Ende fasste Kamal die Vorschläge zusammen und verteilte Aufträge. Als jeder wusste, was er zu tun hatte, und sie einen Termin für das nächste Treffen vereinbart hatten, verabschiedeten sie sich. Es war fast Mittag.
    »Geh noch nicht«, bat Abdullah Kamal. »Ich muss mit dir reden.«
    Kamal wollte sich entschuldigen, ließ es aber bleiben, als er die Miene seines Onkels bemerkte. Nach Abdul Aziz’ Tod vor neun Jahren war Abdullah sein Mentor und Ratgeber geworden. Er war einer der tapfersten Krieger gewesen, auf die Abdul Aziz bei der Einigung der Arabischen Halbinsel hatte zählen können. Unerschrocken und verwegen im Krieg, zeigte er sich in Friedenszeiten von einer völlig anderen Seite. Die Weisheit seiner Gedanken spiegelte sich in seinem zurückhaltenden Wesen wider. Bei den Mitgliedern der vielköpfigen Familie al-Saud war sein Rat sehr gefragt. Man wandte sich an ihn, um die unterschiedlichsten Probleme zu lösen, von einer Ernennung in die Regierung bis hin zum Namen eines Babys.
    »Deine Mutter war letzte Woche bei mir«, begann Abdullah das Gespräch. »Es geht um die Sache mit dem argentinischen Mädchen.«

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