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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Freilassung hatten sie König Abdul Aziz, den sie blind verehrten, nicht verlassen wollen, und er hatte sie zu seinen Leibwächtern gemacht. Treu bis in den Tod, hatten sie schon einige Male ihre Furchtlosigkeit unter Beweis gestellt, bei dem Attentat von 1950 zum Beispiel, bei dem el-Haddar ein Auge verloren hatte, das er stolz mit einer schwarzen Augenklappe verdeckte, während Abdel aufgrund seiner Bauchverletzungen drei Tage zwischen Leben und Tod geschwebt hatte.
    Da sie für solche Aufgaben mittlerweile nicht mehr geeignet waren, setzte Saud sie als Fahrer und Boten ein, aber sie waren immer in seiner Nähe, weil er niemandem mehr vertraute als diesen beiden. Wenn man etwas über den König und seine Geheimnisse herausfinden wollte, sagte sich Kamal, brauchte man nur Abdel oder el-Haddar zu fragen. Dass allerdings einer von ihnen etwas verriet, war sehr unwahrscheinlich; nicht einmal unter der schlimmsten Folter hätten sie den Mund aufgemacht.
    Neben Saud traf Kamal im Büro auch seinen Onkel Abdullah an, den Leiter des Geheimdienstes, seinen Onkel Fahd, den Außenminister, seinen Bruder Faisal, Staatssekretär, Ölminister Scheich Tariki und Jacques Méchin, der ihm aufrichtig erfreut entgegeneilte, um ihn zu begrüßen.
    »Bevor du gekommen bist, Kamal, hat Saud uns seinen Finanzplan für dieses Jahr vorgestellt.« Er reichte ihm einige Papiere, die Kamal durchblätterte.
    »Weiter hinten befindet sich die Aufstellung der Einnahmen, mit denen wir die anfallenden Kosten bestreiten wollen«, erklärte Tariki. »Wie du siehst, werden wir die Bezüge der Familie senken müssen, denn die Umstände …«
    »Die Einnahmen sind zu hoch angesetzt«, unterbrach ihn Kamal. Es wurde totenstill.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Méchin.
    Kamal hielt einen Vortrag über die Marktlage: die Zinssätze für internationale Kredite, die mit Sicherheit höher ausfallen würden als in dem Bericht angesetzt, die Überproduktion von russischem Erdöl, das zwar nicht die Qualität des arabischen Rohöls habe, aber von vielen Erdölgesellschaften trotzdem als gut genug erachtet werde, die Inflationsrate, das Währungssystem und die politische Lage, die für die Mitglieder der OPEC ganz und gar nicht rosig aussehe. Abschließend stellte er fest, dass die Einnahmen um dreißig Prozent niedriger ausfallen würden als erwartet und das Defizit mehrere Millionen Dollar betragen werde, die Verschuldung aus dem Vorjahr nicht eingerechnet, die gerade so mit den Vorschüssen aus der Erdölförderung gedeckt werde.
    »Wenn das stimmt, was du sagst«, erklärte Saud, »werden wir weitere Anleihen aufnehmen müssen, um das Defizit auszugleichen. Wir können die Ausgaben nicht weiter senken, als wir es schon getan haben.«
    »Und woher willst du das Geld bekommen?«, fragte Kamal.
    »Von den Banken, wie immer.«
    »Sie werden dir nichts geben«, stellte Kamal klar. »Mit der Gründung der OPEC hast du den gesamten Westen gegen dich aufgebracht, und die Banken, an die du dich wenden willst, sind ein entscheidender Teil davon. Sie werden tausend Ausreden vorbringen – dass der Ölpreis am Boden ist, dass du verschuldet bist, dass die Garantien nicht ausreichen – und dir keinen Dollar geben. Für sie ist die Existenz des Kartells eine ständige, inakzeptable Bedrohung ihres wichtigsten Rohstoffs. Sie werden jetzt handeln, wo die OPEC schwach und verletzlich ist.«
    »Am Ende werden sie umfallen«, erklärte Saud. »Sie werden angekrochen kommen und mich anbetteln, ihnen Öl zu verkaufen.«
    »Du wirst angekrochen kommen«, entgegnete Kamal ruhig, und die Übrigen hielten den Atem an. »Sie haben die Macht, das musst du begreifen, Saud.«
    »Aber sie brauchen unser Öl«, wandte Tariki ein.
    »Sie brauchen Öl«, stellte Kamal klar, »und das sichern ihnen der Iran und Libyen.«
    »Du hast ja keine Ahnung, mit welchen Problemen ich in den Jahren meiner Herrschaft zu kämpfen hatte«, sagte Saud erbittert. »Als unser Vater starb, war es um das Land längst nicht so gut bestellt, wie wir dachten.«
    »Unser Vater«, erklärte Kamal, »ist in Frieden gestorben, weil er alles erreicht hatte, was er sich vorgenommen hatte, und noch mehr. Er hat das Land zurückerobert, das man seiner Familie weggenommen hatte, er vereinte die Gebiete Hedschas und Nadschd und gründete das Königreich Saudi-Arabien. Er festigte seine Macht, und wenn uns heute die Großmächte der Welt respektieren, dann seinetwegen. Sogar die Engländer mussten ihre Versuche

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