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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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aufgeben, uns zu beherrschen.«
    Die Unterhaltung wurde hitziger, und die Gemüter erregten sich. Méchin versuchte auszugleichen, indem er Kamal fragte, ob er einen Vorschlag habe, wie das finanzielle Debakel abzuwenden sei, auf das sie zusteuerten. Ahmed Yamani holte eine schriftliche Aufstellung aus seinem Koffer und verteilte sie. Als Saud und Tariki sahen, wie niedrig die voraussichtlichen Ausgaben angesetzt waren, protestierten sie.
    »Du bist der Herrscher, die Entscheidung liegt in deinen Händen«, stellte Kamal klar und setzte damit der Diskussion ein Ende.
    Fahd, der schweigend die Aufstellungen von Tariki und Yamani verglichen hatte, nahm die Brille ab, stand auf und wandte sich an seinen Neffen, den König, allerdings weniger diplomatisch und versöhnlich als sein Bruder Abdullah: »Die Familie will, dass Kamal wieder die Wirtschaft und die Finanzen übernimmt, wie 1958.«
    Aller Blicke wanderten zwischen dem König und der unbewegten Miene des Prinzen hin und her.
    »Das ist nicht nötig«, erklärte Saud. »Die Situation ist unter Kontrolle. Mit der Prognose der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben, die der Wirtschaftsminister erstellt hat, werden wir durch die Krise kommen, bis wieder Geld aus dem Verkauf des Erdöls fließt. Ich will keinen Premierminister mehr. Damit würden wir nur eingestehen, dass wir Probleme haben, und unser Ansehen im Ausland beschädigen.«
    »Unser Ansehen ist bereits beschädigt«, entfuhr es Kamal, und es dauerte einen Moment, bis Saud begriff, dass sein Bruder direkter gewesen war, als er dachte.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte er ungehalten. »Redest du von der Gründung des Kartells?«
    Tariki, die eigentliche Kraft hinter der OPEC, schaltete sich in den Wortwechsel zwischen den Brüdern ein, um die Gründe zu erläutern, die sie zu der undankbaren Aufgabe bewegt hatten, sich mit den englischen und nordamerikanischen Ölmultis anzulegen. Er musste unbedingt die erhitzten Gemüter beruhigen. Tariki war sich völlig darüber im Klaren, dass Saud ihn mit sich ins Verderben reißen würde, wenn er stürzte, und er würde dem nichts entgegenhalten können. Niemand in der Familie hatte einen Zweifel daran, wer Saudi-Arabien seit etwas mehr als acht Jahren wirklich regierte.
    »Letztendlich«, fuhr Tariki fort, »hat die OPEC ein höheres Ziel vor Augen: die Umgestaltung der Rohstoffmärkte, um den Ausverkauf zu beenden, den die Mächtigen der Welt seit undenklichen Zeiten mit uns betreiben. Es geht nicht nur darum, dass sich die Erdölländer formieren, sondern sämtliche Drittweltländer, die die Industriestaaten mit ihren Bodenschätzen beliefern. Die Schwachen werden sich zusammenfinden, um eine unbesiegbare Vereinigung zu bilden.«
    »Tolle Bündnispartner hast du dir da gesucht«, bemerkte Kamal ironisch. »Die ärmsten und am höchsten verschuldeten Staaten des Planeten. Wenn ich von der Beschädigung unseres Ansehens rede, meine ich damit unsere Haltung denen gegenüber, die die Vormachtstellung auf der Welt für sich beanspruchen. Sie sind es, die unser Öl abnehmen, weil sie über Industrie verfügen, sie bezahlen uns, weil sie Geld haben, und daher stellen sie auch die Regeln auf. Wir könnten das Öl wegschütten, das wir überall in unserem Land finden, wenn die Erdölkonzerne es nicht kaufen würden, denn wir verfügen nicht über die Technologie, um es zu raffinieren oder gar selbst zu nutzen. Wir sind sogar auf sie angewiesen, um es in Pipelines zum Hafen von Dschidda zu transportieren. Für die Industriestaaten ist die Tatsache, dass wir zu einem gewissen Ansehen gekommen sind, nichts weiter als eine Laune der Natur. Ohne den Westen sind wir nichts, und wir können uns nicht den Luxus erlauben, uns mit ihm anzulegen.«
    »Du scheinst ein Fürsprecher der Ölgesellschaften zu sein«, bemerkte Saud und stand auf. »Wie ich sehe, hat dir die Christin, mit der du dich herumtreibst, derart den Kopf verdreht, dass du imstande bist, dein eigen Fleisch und Blut zu verraten.«
    Alle erstarrten und blickten betreten zu Boden. Kamal nahm seine Unterlagen und verstaute sie ganz ruhig in seiner Aktentasche. Dann sah er auf und fixierte seinen Bruder.
    »Das hättest du nicht sagen sollen.«
    Erhobenen Hauptes verließ er das Büro. Er wusste, dass es Saud nicht gelingen würde, die Ausgaben unter Kontrolle zu bringen, und die Banken würden ihm keinen Cent leihen, um sie zu finanzieren. Er würde kläglich untergehen, und er, Kamal, würde dabei zusehen, ohne

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