Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
und griff nach einer Fotografie von Malik.
»Onkel«, sagte er dann, »ich will wissen, was dieser Mann vorher gemacht hat.«
»Bevor du gekommen bist, habe ich einen Kontaktmann bei der CIA angerufen, weil ich den einen oder anderen Verdacht bestätigt haben wollte. Er hat versprochen, bald zurückzurufen. Fürs Erste kann ich dir sagen, dass Malik bin Kalem Mubarak unseren Akten zufolge nicht gerade ein Engel ist: Er ist ein fanatischer Extremist und hatte in den vergangenen zehn Jahren Kontakt zum terroristischen Arm des Dschihad. Ich habe Haftbefehl gegen ihn erlassen. Außerdem habe ich die Flughäfen und den Hafen von Dschidda sperren lassen. Auf den Straßen und an den Grenzen kontrollieren meine Beamten jedes einzelne Fahrzeug.«
»Glaubst du, sie haben sie bereits außer Landes gebracht?«, fragte Jacques.
»Ich weiß es nicht. Genug Zeit hätten sie gehabt, wenn sie, wie wir annehmen, zwischen elf Uhr abends und ein Uhr nachts entführt wurde. Außerdem gibt es im Norden, an der Grenze zum Irak und zu Jordanien, große Wüstengebiete, die niemand kontrolliert. Dort könnten sie ungesehen aus Saudi-Arabien verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen.«
»Das ist unmöglich«, wandte Ahmed Yamani ein. »Nicht einmal die Beduinen wagen sich in diese Region. Sie ist fast so unwirtlich wie die Rub al-Chali, die für Menschen praktisch unbetretbar ist. Sie würden dabei umkommen.«
»Das stimmt«, räumte Abdullah ein. »Aber es gibt Menschen, denen es gelungen ist.«
***
Der Jeep erreichte den Norden des saudischen Königreichs gegen Mittag, als die sengende Sonne und der glühend heiße Wind zusammen mit dem Sand das Atmen nahezu unmöglich machten. El-Haddar und Abdel, die ergebenen Leibwächter König Sauds, verhüllten sich sorgfältig und stiegen dann aus dem Wagen.
»Es hieß, man würde uns um zwölf Uhr abholen«, schimpfte Abdel, dem der Auftrag von Anfang an nicht behagt hatte.
»Es ist noch nicht zwölf«, hielt el-Haddar dagegen. »Los, steigen wir wieder ein, bei diesem Sturm ist es hier draußen nicht auszuhalten.«
»Und wenn sie nicht kommen?« Abdel war beunruhigt. »Wir werden umkommen wie gegrillte Ratten. Wir haben nicht genug Benzin, um eine Siedlung zu erreichen.«
»Hör schon auf mit deinen Unkereien!«, fuhr el-Haddar ihn an. »Sie müssen kommen. Wir haben die Ware, die sie interessiert.«
»Falsch«, behauptete Abdel. »Das Mädchen interessiert sie nicht mehr. Alles, was sie wollten, war, dass sie verschwindet, um Lösegeld fordern zu können. Wenn sie sie sowieso töten wollen, was könnte es da Besseres geben, als sie loszuwerden, ohne sich die Mühe machen zu müssen, selbst Hand anzulegen?«
El-Haddar musste zugeben, dass an der Theorie seines Kameraden etwas dran war, aber er hütete sich, das laut zu sagen, sondern brummte nur unwirsch vor sich hin. Der vorsichtigere und nachdenklichere Abdel war manchmal eine Plage mit seinen ständigen Bedenken und Einwänden, aber el-Haddar achtete ihn als Mensch und mochte ihn als Freund. Sie kannten sich seit ihrer Jugend, als sie gemeinsam in die Armee König Abdul Aziz’ eingetreten waren. Später brachten sie ihr Mut und ihre Loyalität in eine privilegierte Position, und sie wurden zu Vertrauten des Herrschers von Saudi-Arabien. Vor seinem Tod hatte Abdul Aziz sie nach Taif rufen lassen, um ihnen den Schwur abzunehmen, seinem Sohn ebenso treu zu dienen, wie sie ihm gedient hatten.
»Saud hat nicht die Voraussetzungen, um ein guter König zu werden«, hatte er ihnen auf dem Totenbett gesagt. »Ihr habt von mir gelernt, wie ein König handeln muss. Ihr sollt meinem Sohn die wichtigsten Ratgeber sein und ihn nach meinen Regeln und Gesetzen lenken. Seid ihm treue Diener und unterstützt ihn darin, sich auf dem Thron zu halten und die Größe und den Ruhm Saudi-Arabiens zu wahren. Allah der Allmächtige sei gelobt und gepriesen!«, rief er, bevor er sie gehen ließ.
Sie hatten das Versprechen gehalten, das sie vor fast zehn Jahren gegeben hatten, obwohl es keine einfache Aufgabe gewesen war. Saud war ein launischer, leicht reizbarer König mit mehr Lastern als Tugenden, der nur auf seinen eigenen Lebensstandard bedacht war und keine Ahnung von den Bedürfnissen des Volkes hatte. Die Folgen seiner Herrschaft waren offensichtlich: Das Land litt unter einer Vielzahl von Problemen, insbesondere wirtschaftlicher Natur, die die Grundlage aller anderen Probleme waren. Genau wie die Familie wussten auch Abdel und el-Haddar, dass
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