Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Kerl Francesca in seiner Gewalt hat?«, fragte Dubois.
»Das möge Allah in seiner unendlichen Güte verhindern, Mauricio«, hoffte Abdullah. »Dieser Kerl ist ein Scheusal. Ihm werden mehrere Attentate zugeschrieben, und bei Entführungen sind die Opfer nie lebend zurückgekehrt, selbst wenn Lösegeld bezahlt wurde.«
***
Nachdem das Flugzeug drei Stunden nur über Sanddünen und Felsen hinweggeflogen war, landete es in einer menschenleeren Einöde. Der Mann neben dem Piloten, ein kräftiger Glatzkopf mit verschlagenem Blick und finsterer Miene, packte Francesca, wuchtete sie sich über die Schulter und verließ die Kabine. Ihm folgte ein weiterer Mann, der weniger bedrohlich wirkte, solange man nicht in seine Augen sah. Doch wenn man es tat, entdeckte man darin alle Bosheit, zu der er imstande war.
Der Pilot startete das Flugzeug wieder und hob kurz darauf ab. Die beiden Terroristen begannen mit Francesca auf den Schultern durch das endlose Sandmeer zu stapfen. Hinter einer hohen, mit Gestrüpp bewachsenen Düne, die sie mühsam erklommen, erstreckten sich mehrere eindrucksvolle Felsformationen von bemerkenswerter Schönheit, die die Eintönigkeit der Wüste durchbrachen. Die Farbe der Kalksteinschichten variierte von Blassgelb bis hin zu Tiefrot. Einem Flusslauf folgend, gingen sie auf die Ausläufer der Felsen zu. Dann begannen sie, das scharfkantige Gestein hinaufzuklettern, das ihnen in die Füße einschnitt, die nur von Ledersandalen geschützt waren. Der Mann, der Francesca trug, bewegte sich trotz seiner massigen Statur und der zusätzlichen Last leichtfüßig wie eine Ziege und erreichte bald einen versteckten Durchgang im Gestein. Der andere folgte ihm rasch.
Es war dunkel, und durch den Fluss, der sich in dem Fels einen Weg auf die andere Seite bahnte, war die Luft kühl und feucht. Nachdem sie einige Meter nahezu blind tastend zurückgelegt hatten, wichen die schroffen Felswände nach oben zurück, der Boden wurde weich und sandig, und ein schwacher Lichtschein wies auf einen Ausgang hin. Schließlich tauchte hinter einer jähen Wegbiegung ein schmaler Spalt im Gestein auf und gab den ersten Blick auf etwas Erstaunliches, Unglaubliches frei: Die in den Felshang gehauene Fassade eines wundervollen Tempels, der die Jahrhunderte erstaunlich gut überdauert hatte. Man staunte angesichts der glattpolierten Säulenschäfte, der Kapitelle mit den Akanthusblättern und der Relieffiguren in den Giebelfeldern. Es handelte sich um das legendäre Petra, die geheimnisvolle Felsenstadt, die sich in einem Gebirgszug im Südwesten Jordaniens verbarg. Es war ein Juwel aus Kalkstein, erbaut inmitten der trostlosen Einsamkeit der Sandwüste, dessen herrliche Tempel und mit Schätzen überladene Paläste mit denen keines anderen Landes vergleichbar waren. Der alte arabische Stamm der Nabatäer, in der Antike als Lieblingsvolk Allahs bekannt, hatte Jahrhunderte vor der Geburt des Propheten Mohammed mit unvergleichlichem Können reich verzierte Fassaden mit Säulen, Giebelfeldern und Skulpturen entworfen und in Stein gehauen.
Als sie schließlich aus dem Tunnel traten, präsentierte sich ihnen auch die restliche Stadt.
»Soweit ich weiß«, sagte der Kleinere der beiden, »ist dieser Ort so alt wie die Welt selbst. Was ist das?« Er deutete auf das größte Bauwerk.
»Das sogenannte Khazneh «, antwortete der Kräftige. »Ein ehemaliger Tempel der Nabatäer, in dem sie ihre Schätze aufbewahrten, so nimmt man jedenfalls an. Links davon ist das Römische Theater.«
»Und diese Nischen in den Wänden?«, fragte der Kleinere angesichts der Hunderte von Löchern, mit denen die umliegenden Felswände durchzogen waren.
»Das sind Gräber. Petra war auch eine bedeutende Begräbnisstätte«, sagte er und ging auf das Khazneh zu. »Komm schon!«, befahl er vom Eingang des Tempels aus.
Im Gegensatz zu der überladenen Fassade war das Innere des Khazneh schmucklos, beeindruckte aber nicht minder durch die Genauigkeit, mit der man den Fels ausgehöhlt hatte, um einen riesigen quadratischen Raum von über fünfzig Metern Höhe zu schaffen. An einer Bruchkante legte der Größere die Hand in eine Aushöhlung und setzte einen Mechanismus in Gang. Ein schmaler, niedriger Stein schwang nach rechts zur Seite und gab den Blick auf einen Gang frei, dem sie nun folgten.
Fackeln steckten in Felsspalten und tauchten den Gang in ein rötlich flackerndes Licht, das der Szenerie mit seinem Spiel von Licht und Schatten etwas Gespenstisches
Weitere Kostenlose Bücher