Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
zum Hinterausgang, der in den Hof führte. Bevor er hinausschlüpfte, vergewisserte er sich, dass auch der Wächter schlief. Vorsichtig durchquerte er den Park; hier drohte zwar keine Gefahr, aber der Haupteingang wurde von Kader bewacht, al-Sauds Leibwächter. Ein paar Häuser weiter entdeckte er den Mercedes, der wie besprochen dort parkte. Der Kofferraum öffnete sich, und jemand im Wagen ließ das Fenster auf der Fahrerseite einen Spaltbreit herunter.
»Leg sie in den Kofferraum«, befahl eine tiefe Stimme, und Malik beeilte sich, den Auftrag auszuführen. »Jetzt geh zur Botschaft zurück und verhalte dich ganz normal.«
Malik wurde blass. Er hatte geglaubt, dass er auch an der eigentlichen Entführung beteiligt sein würde. Von boshafter Neugier getrieben, konnte er es kaum erwarten, mit eigenen Augen zu sehen, welches grausame Schicksal die »Hure aus dem Westen« erwartete, wie er Francesca seit ihrem Verhältnis mit dem saudischen Prinzen nannte. Er wusste genau, was für ein verdorbenes, teuflisches Wesen sich hinter ihrer zuckersüßen Fassade verbarg. Ihn hatten ihr unschuldiges, mädchenhaftes Betragen, ihre sanfte Stimme, ihre freundliche Art und ihre betörende Schönheit nie täuschen können.
Seit er sie kennengelernt hatte, konnte er Allahs Stimme hören, die ihn vor ihrer verborgenen Schlechtigkeit warnte und ihm auftrug, den Islam und sein Volk vor den Machenschaften dieser Ungläubigen zu retten, die in der klaren Absicht gekommen war, den Glauben zu beschmutzen und mit Füßen zu treten. Beinahe wäre ihr es auch gelungen, und das bei keinem Geringeren als dem Lieblingssohn von König Abdul Aziz. Es würde ihm, Malik, ein Vergnügen sein, sie leiden zu sehen. Aber er war nicht dumm und wusste, dass die Untersuchungen bald auf ihn als Verbindungsmann hindeuten würden, der sie ihren Entführern ausgeliefert hatte. Es konnte unmöglich länger in der Botschaft bleiben.
»Man hatte mir gesagt, ich würde mit euch kommen«, versuchte er zu argumentieren.
»Geh in die Botschaft zurück«, sagte die Stimme noch einmal, »und halt den Mund.«
»Aber …«
»Tu, was ich dir sage!«
Der Mercedes fuhr los, und Malik blickte ihm nach, bis er hinter der nächsten Straßenecke verschwunden war.
***
Mauricio Dubois saß neben Méchin im Fond seines Wagens. Er versuchte zu verstehen, wie es so weit hatte kommen können, welcher böse Plan hinter all dem steckte. Aber was auch immer die Gründe waren, die Lage war eindeutig: Francesca war entführt worden, daran gab es keinen Zweifel. Während sie nun zum Flughafen von Riad fuhren, um Kamal abzuholen, fragte er sich, wie er es ihm beibringen sollte. Denn trotz anfänglicher Zweifel war er mittlerweile sicher, dass es seinem Freund mit Francesca wirklich ernst war. Er würde ihm die Schuld geben – schließlich hatte er vor seiner Abreise nach Genf zu ihm gesagt: »Pass gut auf sie auf, Mauricio.« Die Schuldgefühle, die Scham und die Ungewissheit machten ihn beinahe wahnsinnig.
»Erzähl mir noch einmal, wie es passiert ist«, verlangte Jacques Méchin.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte Mauricio. »Heute Morgen hat Sara, die Haushälterin, bemerkt, dass Francesca nicht da war. Wir vergewisserten uns, dass sie nicht mit Abenabó und Kader oder mit unserem zweiten Chauffeur Malik unterwegs war, aber keiner hatte sie gesehen oder wusste etwas von ihr. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Wäre es nicht möglich, dass Francesca aus freien Stücken weggegangen ist?«
»Unmöglich«, beteuerte Mauricio. »Das steht außer Frage. Francesca würde Saudi-Arabien auf gar keinen Fall verlassen, das kann ich dir versichern. Und wie gesagt, die Türen wurden nicht aufgebrochen.«
Kader, der am Steuer saß, teilte ihnen mit, dass der Privatjet Seiner Majestät soeben gelandet war. Méchin, Dubois und die beiden Leibwächter stiegen aus und gingen auf das Flugzeug zu, das langsam auf der Bahn ausrollte. Kamal wechselte am Ende der Gangway ein paar Worte mit dem Piloten und der Flugbegleiterin, dann sah er sich nach seinem Jaguar um. Er war überrascht, Méchin und Dubois zu sehen, die in Begleitung von Abenabó und Kader auf ihn zueilten. Die Überraschung wich einer bösen Vorahnung, die ihm die Kehle zuschnürte. Mit zwei Schritten war er bei ihnen und fragte hastig: »Wo ist Francesca?«
Jacques war der Einzige, der einen Ton herausbekam. »Wir glauben, dass sie gestern Nacht entführt wurde.«
Mit der Schnelligkeit einer Raubkatze
Weitere Kostenlose Bücher