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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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Abdul Aziz lieber Kamal auf dem Thron gesehen hätte. Doch die Jugend seines Lieblingssohnes und der Respekt vor der Sharia , nach der die Thronfolge dem Erstgeborenen zustand, hatten Abdul Aziz dazu bewegt, Saud zu seinem Nachfolger zu ernennen.
    Abdel und el-Haddar schätzten und achteten Kamal al-Saud ebenso wie seinen Vater. Der Prinz hatte von klein auf ein gütiges Wesen und einen eisernen Willen an den Tag gelegt und nie seine Wurzeln oder sein Volk vergessen, obwohl er wegen seiner Erziehung in Europa viele Jahre im Ausland gelebt hatte. Er war ein allseits beliebter und geachteter Mann, von dem alle bestätigten, dass in Wahrheit er es war, der die Vorzüge und Qualitäten seines Vaters geerbt habe. Er besaß dessen Beharrlichkeit und Intelligenz, das gleiche ernste, zurückhaltende Auftreten, das feine Lächeln, die leise Stimme und die stolze und doch uneitle Art. Die ganze Familie bewunderte ihn, einzig sein Bruder Saud hegte eine tiefe Abneigung gegen ihn, die nur durch Neid und Eifersucht zu erklären war. Aber Kamal hatte einen Fehler gemacht, als er sich mit einer Frau aus dem Westen verlobt hatte; schlimmer noch, er hatte sich große Probleme eingehandelt, indem er sie geschwängert hatte. Ob sie wirklich ein Kind erwartete? Sie war so dünn, dass man es kaum glauben konnte. Ob Malik sich in diesem Punkt geirrt hatte? Aber er war sich seiner Sache so sicher gewesen, als er ihnen davon erzählt hatte. Jedenfalls mussten sie Prinz Kamal vor dem teuflischen Einfluss dieser Frau retten und den guten Namen der Familie wahren.
    Abdel sah zu Francesca herüber und fand, dass sie so gar nicht wie die mannstolle, sündige Frau wirkte, als die man sie ihnen geschildert hatte. Ganz im Gegenteil – er bestaunte ihre engelsgleiche, sanfte Schönheit und besonders ihre weiße, zarte Haut. Er konnte nicht widerstehen und berührte ihre Wange.
    »Sie glüht vor Fieber«, sagte er erschrocken.
    »Na und?«, entgegnete el-Haddar, ohne den Blick vom Horizont zu wenden. »Hör mal!«, rief er dann, und kurz darauf entdeckten sie ein Flugzeug. »Das sind sie.«
    Minuten später landete das Flugzeug. Zwei Männer stiegen aus und brachten mit knappen Worten und ungerührten Mienen die Übergabe hinter sich. Einer von ihnen packte Francesca und trug sie zum Flugzeug, der andere gab el-Haddar einen Kanister Benzin, den dieser mit Hilfe eines Trichters in den Tank füllte. Das Flugzeug setzte die Propeller in Gang, während el-Haddar den Jeep startete und sich auf den Rückweg machte.
    Auf den ersten Kilometern war Abdel schweigsam und in sich gekehrt. Er dachte an das Mädchen und daran, wie sie leblos über der Schulter dieses Hünen gehangen hatte. Mitleid regte sich in ihm. Sie war so schön, wie eine Paradiesjungfrau, dachte er hingerissen, und er verstand, was Prinz Kamal so bezaubert hatte. Ihr weißes Gesicht und ihr schwarzes, volles Haar gingen ihm nicht aus dem Sinn. Was mache ich hier?, fragte er sich bitter, in diesem Jeep, mitten in der Wüste? In Sekundenbruchteilen wirbelte ihm ein Sturm von Gedanken durch den Kopf: das Versprechen, das er dem großen Abdul Aziz gegeben hatte, die Treue, die er König Saud schuldete, die Zukunft seines geliebten Saudi-Arabiens, die Bewunderung und die Hochachtung, die er für Prinz Kamal empfand, und das engelsgleiche Gesicht des Mädchens, das angeblich sein Verderben war.
    ***
    Kamal biss die Zähne zusammen, um das Zittern zu unterdrücken, das seinen Körper durchlief. Es war eine schreckliche Vorstellung, Francesca in den Händen skrupelloser Verbrecher zu wissen. Er ertrug den Gedanken nicht, dass jemand sie anfasste oder ihr gar etwas antat. »Francesca …«, murmelte er. Ihre imaginären Schreie entlockten ihm Tränen der Wut und der Ohnmacht, ihm war schwindlig, sein Atem ging schwer, und er musste sich gegen die Wand lehnen.
    »Nur Mut«, ermunterte ihn Jacques Méchin und klopfte ihm auf die Schulter. »Du wirst sehen, wir holen sie heil da raus, sie und dein Kind.«
    Kamal versank in Jacques’ väterlichen Blick. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn er in den grauen Augen des Franzosen den Vorwurf entdeckt hätte, den er verdient hatte – denn wer, wenn nicht er, trug die Schuld an diesem Unglück? Er ließ seinen Blick über die Gesichter der Männer schweifen, die ihn umgaben: Da war sein Onkel Abdullah, der ohne große Ergebnisse herumtelefonierte, sein Jugendfreund Mauricio Dubois, der immer noch kraftlos auf dem Sofa saß, sein treuer Assistent Ahmed

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