Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
Vom Netzwerk:
verlieh. Der Weg gabelte sich immer wieder, und der Kräftige schlug ohne zu zögern die Richtung ein. Der bislang sandige Boden wurde immer steiniger, bis der Gang einige Meter weiter vor einer schwindelerregend schmalen Treppe endete, die in den Fels gehauen war. Beide Männer nahmen eine Fackel von der Wand und beleuchteten den Weg über die unregelmäßigen Stufen nach unten. Der Kräftigere ließ rasch die letzten Stufen hinter sich und stieß eine Holztür auf, durch die Licht drang. Sie zogen die Köpfe ein, um nicht gegen den niedrigen Türsturz zu stoßen, und betraten ein Gewölbe, von dem vier Gänge abzweigten, die genauso dunkel und unergründlich waren wie der, durch den sie gekommen waren.
    »Hier entlang«, sagte der Größere, und sie verschwanden in einem der Gänge, wo sie bald auf andere Männer stießen, die sofort ihre Maschinengewehre und Messer zückten. Hier unten herrschte ebenso viel Leben und Betriebsamkeit wie draußen Einsamkeit und Stille.
    An diesem Punkt hätte jeder andere die Orientierung verloren. Dieses Labyrinth, das sich durch den Fels bis ins Herz des Gebirges zog, war ein unauffindbares Versteck für den von den Regierungen des Westens meistgesuchten Mann.
    »Tritt ein«, sagte der größere der beiden Männer und zeigte auf eine der Türen, die von dem Gang abgingen. »Der Anführer erwartet dich. Ich bringe die Frau in eine Zelle.«
    Die Wände des Raumes waren mit farblich abgestimmten Stoffen ausgekleidet, und auf dem Boden lagen Kaschmirteppiche. Inmitten von Kissen, das Mundstück einer Wasserpfeife zwischen den Lippen, ruhte Abu Bakr, ein harmlos aussehender Mann mit einem langen, wirren Bart. Eine Brille, die seine Augen kleiner wirken ließ, unterstrich den harmlosen Eindruck.
    »Herr«, sagte der Neuankömmling und verbeugte sich ehrfürchtig.
    Sie hatten sich seit Monaten nicht gesehen. Nach dem Hinterhalt in Kairo hatten sie beschlossen, sich zu trennen, um die Suche nach ihnen zu erschweren.
    »Du kommst spät, Bandar. Wo ist Yaman?«
    »Er bringt die Frau in eine Zelle.«
    Abu Bakr lächelte zufrieden und zog erneut an der Wasserpfeife. Der berühmteste Abu Bakr in der Geschichte des Islam war Mohammeds Schwiegervater und enger Freund gewesen, der beim Tod des Propheten im Jahre 632 der erste Kalif Arabiens wurde und den Auftrag erhielt, Mohammeds Werk fortzuführen. Deshalb hatte dieser geheimnisvolle Mann, der dort auf kostbaren Kissen ruhte und dessen richtigen Namen niemand mit Gewissheit kannte, den Kampfnamen Abu Bakr angenommen, weil er überzeugt war, der Dynastie Mohammeds anzugehören und einen besonderen Auftrag zu haben: den Islam zu schützen, wie es der erste islamische Führer getan hatte. Er behauptete, im Alter von zwanzig Jahren seien ihm Mohammed und der Erzengel Gabriel erschienen und hätten ihm aufgetragen, den Islam vor dem Dämon zu retten, der ihn bedrohe: der Westen. »Aber wer ist das, der Westen?«, habe der junge Abu Bakr gefragt. »Die Zionisten«, habe die Antwort des Propheten gelautet.
    1948 hatte er seinen Dschihad, seinen heiligen Krieg, begonnen, der sich vor allem gegen Israel, diesen jungen, vom Westen protegierten Staat, richtete. Dabei waren Waffen ein wertvolles Gut. Seit Hiroshima hatte die Technologie riesige Fortschritte gemacht, und man konnte wirklich hervorragende Waffen erhalten, aber dafür brauchte man Geld. Viel Geld. Er wurde zwar finanziell von einigen Ölmultis unterstützt, die ein Interesse daran hatten, dass sich die Araber in aufreibenden Bruderzwisten verzettelten, während sie selbst das Erdöl für zwei Dollar das Barrel bekamen, aber der Hinterhalt in Kairo, durch den ihm ein Waffenlager im Wert von zwanzig Millionen Dollar verloren gegangen war, hatte ihn fast in den Bankrott getrieben. Die Gelegenheit, ein üppiges Lösegeld für die Geliebte eines der reichsten Männer der Welt zu verlangen, wollte sich Abu Bakr nicht entgehen lassen. Und da sie auch noch aus dem Westen war, würde es ihm ein Vergnügen sein, sie höchstpersönlich zu strangulieren.
    »Dieser Ort ist ein perfektes Versteck«, stellte Bandar fest. »Viel besser als das in Kairo.« Da Abu Bakr nichts sagte, sprach Bandar weiter. »Wir haben die Frau ruhiggestellt. Ich habe Angst, dass sie noch vor dem ersten Anruf in der argentinischen Botschaft an einer Überdosis stirbt.«
    »Lasst sie kurz vor dem Anruf wecken. Wir haben da effiziente Methoden. Gibt es eine Bestätigung für die Schwangerschaft?«
    »Ja, Malik hat es bestätigt.

Weitere Kostenlose Bücher