Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
sarkastisch.
»Ihr wisst also, was ihr wollt, ja? Und was willst du? Die Tochter der Köchin schwängern und einen Bastard mit ihr zeugen?«
Aldo wusste nicht, was er antworten sollte. Die plötzliche Angst, die seinen Körper durchströmte wie Gift, machte ihn wehrlos. Die Zuversicht, die er empfunden hatte, bevor er das Zimmer betrat, löste sich in Luft auf.
»Das Geturtel mit diesem Gör ist vorbei. Gleich morgen, wenn du aus Alta Gracia zurückkommst, wirst du die Hochzeit mit Dolores ankündigen. Spätestens nächsten Monat werdet ihr heiraten.«
»Wofür zum Teufel halten Sie sich, mir zu sagen, wen ich heiraten soll?«, begehrte Aldo auf.
Mit einer Behändigkeit, die man von einer Frau ihres Alters nicht erwartet hätte, stürzte sich Celia auf ihren Sohn und ohrfeigte ihn. Aldo sank auf einen Stuhl, legte den Kopf in die Hände und versuchte sich zu beruhigen.
»Hören Sie, Mama«, sagte er schließlich. »Ich erwarte gar nicht, dass Sie mich verstehen. Das haben Sie nicht getan, als ich ein Kind war, und jetzt, da ich ein Mann bin, erst recht nicht. Aber Sie sollen wissen, dass ich Francesca liebe und willens bin, sie zu heiraten, wenn sie mich nimmt.«
»Sie heiraten? Ein Martínez Olazábal und die Tochter ungebildeter, grobschlächtiger Einwanderer? Die Tochter der Köchin! Niemals, solange ich es verhindern kann!«
»Und wie wollen Sie mich daran hindern? Ich bin nicht mehr der zu Tode verängstigte Junge, den Sie nach Belieben herumkommandieren können. Ich bin ein erwachsener Mann und werde tun, wonach mir der Sinn steht. Ich heirate Francesca und basta.«
»Ein Mann?«, ätzte Celia. »Ein Mann, der nicht arbeitet, sondern von dem monatlichen Scheck seiner Eltern lebt? Das ist ein Mann für dich? Glaub bloß nicht, dass du noch einen Centavo aus meiner Tasche erhältst, wenn du dich mit diesem Flittchen einlässt.«
»Nenn sie nicht so! Das lasse ich nicht zu!«
»Sei doch nicht dumm, Aldo«, versuchte es Celia in versöhnlicherem Ton. »Wenn du bei Francesca das schnelle Vergnügen gesucht hast – in Ordnung, das verstehe ich.«
»Sie wissen ja nicht, was Sie da reden. Zwischen mir und Francesca ist nie etwas gelaufen. Sie ist eine Dame.«
Celia konnte ihre Überraschung nicht verhehlen. Aber wenn es so war, musste die Sache ernst sein.
»Umso besser«, flüchtete sie sich in Sarkasmus, »dann bleibt uns wenigstens die Schmach eines Bastards erspart.«
Aldo beschloss, lieber das Zimmer zu verlassen. Noch eine Beleidigung, und er konnte für nichts mehr garantieren. Doch bevor er gehen konnte, schleuderte ihm seine Mutter entgegen: »Entweder du heiratest Dolores, oder du kannst dich von dem Luxusleben und dem Müßiggang verabschieden, die du gewöhnt bist.«
»Das ist mir völlig egal. All das bedeutet mir nichts«, versicherte Aldo und kehrte seiner Mutter den Rücken zu.
»Wir werden ja sehen, ob es dir nichts ausmacht, wie ein Sklave zu schuften und für einen Hungerlohn an der Uni zu unterrichten. Denn mit dem Philosophiestudium, für das du dich entschieden hast«, bemerkte sie abschätzig, »wirst du nichts anderes anfangen können. Dann ist Schluss mit den Europareisen, der Mitgliedschaft im Jockey Club, den Maßanzügen aus London und den italienischen Schuhen. Du wirst dir ein schäbiges Zimmer mieten und jeden Tag Eintopf essen müssen. Aber den kann dir ja deine Francesca immer kochen.«
Aldo ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
***
Als Vincenzo starb, bot Alfredo Antonina an, für sie und das Kind zu sorgen. Doch die junge Witwe war zu stolz und drohte sogar damit, die Freundschaft zu beenden, wenn er noch einmal davon anfing. Daraufhin schlug Fredo vor, wenigstens Francesca unterstützen zu dürfen, da sie ja immerhin sein Patenkind sei. Nach langem Hin und Her erreichte er schließlich, dass Antonina ihm erlaubte, für die Ausbildung des Mädchens aufzukommen.
Von klein auf erhielt Francesca von ihrem Onkel geistige Anregung und begeisterte sich fürs Lesen und jede Form von Kunst. Als Liebhaber der großen Klassiker der Literatur bestückte Fredo die Bibliothek seines Patenkindes mit Shakespeare, Cervantes, Dante, Goethe und anderen mehr. Francesca wiederum schwärmte für die Brontë-Schwestern und Jane Austen und fand es bedauerlich, dass sie so jung gestorben waren und nur ein schmales Werk hinterlassen hatten. Stolz und Vorurteil hatte sie dreimal gelesen, einmal davon mit Miss Duffys Hilfe auf Englisch. Neben Jane Eyre mit dem faszinierenden
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