Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Edward Rochester als geheimnisvollem Geliebtem gehörte es zu ihren Lieblingsbüchern.
Die Liebe zur Oper und zu Beethoven entstand wie von selbst, und Alfredo, der glücklich war, eine so gelehrige Schülerin gefunden zu haben, die seinen Ausführungen über Kavatinen, Allegros, Soprane, Tenöre und Dirigenten jederzeit gerne lauschte, vermittelte ihr alles, was er wusste. Sie gingen häufig zu den Vorstellungen im Teatro San Martín und träumten von einem – immer wieder auf später verschobenen – Besuch im Teatro Colón, das laut Fredo die beste Akustik der Welt hatte. Francesca träumte seit Jahren von diesem Opernbesuch in der Hauptstadt, aber ihre Mutter weigerte sich, sie fahren zu lassen.
Die Auswahl der Schule, die sein Patenkind besuchen sollte, stellte für Fredo kein großes Problem dar: Er entschied sich einfach für die beste, die Sagrado Corazón , die von französischen Nonnen geleitet wurde und für ihre Strenge bekannt war. Fredo machte sich eigentlich nicht viel aus Religion und Benimmregeln, die Francesca in ihren zwölf Schuljahren natürlich dennoch verinnerlichte. Ihm ging es vielmehr darum, dass sie Französisch lernte, eine Sprache, die das Mädchen schließlich fließend beherrschte. Miss Duffy, die Privatlehrerin der Martínez Olazábals, hatte sich bereit erklärt, Francesca in ihrer Freizeit gegen eine lächerlich geringe Summe Englischunterricht zu erteilen.
»Ich nehme das Geld, Señor Visconti«, hatte die Irin gesagt, »weil Antonina mit Sicherheit etwas dagegen hätte, wenn ich es unentgeltlich machen würde. Aber wissen Sie, ich mag das Mädchen so gern, dass ich sie mit Freuden auch umsonst unterrichten würde.«
Mit ihrer Mutter sprach Francesca den schwerverständlichen sizilianischen Dialekt, der allerdings eine gute Grundlage war, um Italienisch zu lernen, das Fredo ihr beibrachte.
Alfredo sah zu Francesca hinüber, die gerade mit der Korrektur eines Artikels beschäftigt war, und stellte voller Stolz fest, dass sie bestens geraten war. »Sie ist wie mein eigen Fleisch und Blut«, dachte er.
»Ich dachte, du wärst in einer Besprechung mit dem Chefredakteur«, sagte das Mädchen, als es aufblickte und ihn vor sich stehen sah.
»Ich bin eben zurückgekommen«, antwortete Fredo, »und als ich gesehen habe, wie konzentriert du arbeitest, fand ich, dass du dir einen freien Nachmittag verdient hast.«
Francesca willigte ein. Letzte Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Sie war müde und ausgelaugt. Der Februar neigte sich dem Ende zu – vor einem Monat waren sie und ihre Mutter aus Arroyo Seco abgereist –, und sie hatte immer noch keine Nachricht von Aldo. Sie verging fast vor Sehnsucht danach, von ihm zu hören und ihn zu sehen. Sie schlief schlecht, hatte keinen Appetit und musste sich zusammenreißen, um sich auf der Arbeit zu konzentrieren. Von Rosalía wusste sie, dass Aldo, Dolores und Señora Carmen noch auf der Estancia waren und offensichtlich nicht daran dachten, nach Buenos Aires zurückzukehren. Einerseits beruhigte sie das, weil er auf diese Weise nach wie vor in der Nähe war. Aber die bedrohliche Gegenwart von Dolores machte ihr sehr zu schaffen.
Das Verlagsgebäude von El Principal am Boulevard Chacabuco war nur ein paar Straßen vom Stadtpalais der Martínez Olazábals entfernt, wie die Leute in Córdoba die beeindruckende Villa im französischen Stil nannten. Sie befand sich gegenüber der Plaza España, im Herzen des Stadtviertels Nueva Córdoba, und nahm einen ganzen Häuserblock ein. Sie lag inmitten einer Parkanlage mit Springbrunnen und Marmorstatuen und war von einem drei Meter hohen schmiedeeisernen Zaun umgeben, den Estebans Großvater extra aus Frankreich hatte kommen lassen.
Als Angehörige des Personals war es Francesca untersagt, das Palais durch den Vordereingang an der Avenida Hipólito Irigoyen zu betreten. Sie musste den am Boulevard Chacabuco benutzen. Sie überquerte die Calle Derqui, und als sie fast den Eingang erreicht hatte, sah sie überrascht, wie ein roter Sportwagen mit quietschenden Reifen vom Anwesen auf die Straße einbog. Ihr Herz machte einen Satz, als sie Aldo hinter dem Lenkrad erkannte. Das letzte Stück rannte sie.
»Aldo!«, rief sie, aber der Wagen hielt nicht an.
Francesca sah ihm hinterher, bis Ponce, der Gärtner, zu ihr kam und ihr sagte, dass ihre Mutter drinnen auf sie warte. Sie ging in die Küche, wo Janet, die alte Hausdame, Anweisungen erteilte und das Personal herumscheuchte. Rosalía tuschelte
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