Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Investieren wuchs. Schiffe aus aller Herren Länder liefen Tag für Tag den Hafen an, Dutzende Kräne entluden unaufhörlich Waren, in den Zolllagern wurden millionenschwere Transaktionen abgewickelt. Dubois wusste, dass die Handelsmöglichkeiten für Argentinien in Dschidda lagen.
Francesca ging mit raschen Schritten den Flur entlang, der den Wohntrakt mit den Geschäftsräumen verband, und betrat das Büro ihres Chefs, ohne zu bemerken, dass sich dort jemand befand. Ein Araber saß bequem zurückgelehnt auf dem Sofa und folgte ihr mit seinen Blicken, angezogen von ihrem langen, dichten, rabenschwarzen Haar, das wie Kohle in der Sonne glänzte und ihr über die Schultern bis fast zur Taille reichte. Das marineblaue Kostüm umschmeichelte die sinnlichen Kurven ihres jugendlichen Körpers.
Der Mann räusperte sich und stand auf, als Francescas Rock hochrutschte, während sie versuchte, einen Atlas vom obersten Bord des Bücherregals zu fischen. Sie presste sich ängstlich an das Bücherregal, als der Araber mit stolzer Haltung auf sie zukam.
»Ich hätte nie gedacht«, sagte der Mann in tadellosem Französisch, »dass eine Argentinierin schöner sein könnte als die Frauen meines Volkes.«
Sie war verzaubert von seiner tiefen, wohltönenden Stimme und sah ihn einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen, obwohl er sie unverhohlen von oben bis unten musterte. Als sich schließlich ihre Blicke begegneten, war sie überrascht, denn die Augen des Arabers, tiefgrün und mit langen, dichten Wimpern, schienen eine eigene Sprache zu sprechen. Sein Gesichtsausdruck war ernst, doch seine Augen lächelten.
» Inschallah !«, sagte er und grüßte auf orientalische Art, indem er die Hand auf Herz, Mund und Stirn legte.
Francesca erwachte erst aus ihrer Erstarrung, als sie hörte, wie sich die Tür öffnete.
»Mein Freund!«, hörte sie ihren Chef sagen.
Der Araber drehte sich um, lächelte sichtlich erfreut und ging dem Botschafter entgegen. Sie umarmten sich herzlich, während sie hitzige Worte auf Arabisch wechselten. Francesca verließ leise den Raum. Auf dem Gang blieb sie stehen und drückte den Atlas gegen die Brust, in der ihr Herz rasend schnell pochte. Wer war dieser Mann? Mein Freund, hatte der Botschafter ihn genannt, und dabei ungewöhnlich viel Regung gezeigt. Seine stolze Erscheinung und seine ernste Art hatten sie eingeschüchtert, aber sie musste zugeben, dass sein Blick sie fasziniert hatte.
»Was ist denn los, meine Liebe?«, fragte Sara, als sie Francesca mit abwesendem Blick mitten im Flur stehen sah. »Du machst ein Gesicht …«
»Ich bin ein bisschen müde, das ist alles.«
Was sollte sie ihr auch sagen? Dass ein attraktiver, unverschämter Araber ihr im Büro des Botschafters einen Riesenschrecken eingejagt hatte?
***
»Endlich, mein Freund! Jetzt bist du hier bei uns, und zwar als Botschafter«, stellte der Araber erfreut fest und klopfte Dubois auf die Schulter. »Die Behörden deines Landes haben uns wirklich einen Vollblutdiplomaten geschickt.«
»Zugegebenermaßen war der Einsatz deines Onkels Fahd in dieser Sache mehr als förderlich«, räumte Dubois ein, und ein verschwörerisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Dessen hartnäckige Weigerung, seine Zustimmung zu irgendeinem anderen Diplomaten zu geben, war überzeugend genug, um dem argentinischen Außenminister klarzumachen, dass ihr einen ganz bestimmten Mann wollt. Ohne seine Beharrlichkeit weiß ich nicht, ob ich heute hier wäre.«
»Und nicht irgendein Dummkopf, der sich nicht mit den Gepflogenheiten meines Volkes auskennt«, beteuerte der Araber.
Dubois war der Stolz anzumerken. Er wusste um seine eigenen Talente und Fähigkeiten und seine umfassende Kenntnis des Mittleren Orients, aber zu hören, dass auch Prinz Kamal bin Abdul Aziz al-Saud, Sohn des Staatsgründers Saudi-Arabiens, das anerkannte, bedeutete ihm viel.
»Setz dich doch, bitte. Willst du etwas trinken?« Er läutete nach Sara, die mit einem Tablett erschien und Kaffee servierte. »Deine Unhöflichkeit kennt keine Grenzen«, beschwerte sich der Botschafter, nachdem die Frau das Büro verlassen hatte. »Ich bin jetzt schon eine ganze Weile in Riad, und erst heute lässt du dich dazu herab, mich zu besuchen. Du warst nicht einmal bei meiner Antrittsfeier.«
»Keine Sorge, ich bin bestens im Bilde über deine Ankunft, deine Antrittsfeier und jede deiner Bewegungen«, versicherte ihm Kamal. »Mein Bruder Faisal und mein Onkel haben mir alles erzählt, auch meine
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