Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
Mutter. Ich weiß, dass du ihr einen Besuch abgestattet hast.«
»Sie sah blendend aus. Sie hat mir erzählt, dass du geschäftlich in Frankreich seist.«
Kamal stellte die Tasse ab und zündete sich eine Zigarette an. Der würzige Geruch orientalischen Tabaks erfüllte den Raum. Er schwieg, ganz so, als ob er alleine wäre und nachdenken müsse. Mauricio zeigte keine Ungeduld; nach so vielen Jahren hatte er gelernt, das Schweigen zu respektieren, diese Ruhe und Zurückhaltung, die die Orientalen ausstrahlten.
»Um die Wahrheit zu sagen«, erklärte Kamal schließlich, »bleibe ich Riad lieber fern.«
»Ich verstehe«, murmelte Mauricio und lehnte sich zurück. »Faisal gab mir so etwas zu verstehen. Das Verhältnis zwischen dir und Saud ist weiterhin schlecht, stimmt’s?«
Als Kamal aufblickte, wusste Dubois, dass er nicht darüber sprechen würde. Es fiel ihm schwer, das tiefe Zerwürfnis mit seinem Halbbruder Saud einzugestehen, der Saudi-Arabien seit dem Tod seines Vaters regierte, vor allem, weil der Islam Auseinandersetzungen zwischen Familienmitgliedern untersagte. Aber die Gräben existierten und wurden immer tiefer, je weiter sich der Lebensstil des Königs von den Geboten des Koran entfernte. Im Hause Saud wurden Stimmen laut, die Kamal dazu drängten, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
Bereits im Jahr 1958 war Saud infolge einer durch seinen verschwenderischen Lebensstil verursachten schweren Wirtschaftskrise gezwungen gewesen, Kamal in die Regierung zu berufen. Nach seiner Ernennung zum Premierminister hatte dieser die Geschicke Saudi-Arabiens mit dem vorrangigen Ziel gelenkt, das Land aus der Krise zu führen, in der es sich befand. Der Einfluss des Königs bestand nur noch auf dem Papier, und Sauds Hass auf seinen Bruder wurde immer größer.
Der Grund für diesen Hass lag viele Jahre zurück. Damals musste Saud, der zu jener Zeit noch ein Kind war, plötzlich die Liebe seines Vaters, König Abdul Aziz, mit seinem neuen Bruder Kamal teilen. Als er älter wurde, erwarb sich der junge Kamal die Bewunderung und Wertschätzung seiner Onkel, Schwestern und der übrigen Verwandtschaft, die ihn um Rat zu fragen begannen und immer häufiger in Staatsangelegenheiten einbanden.
Zwei Jahre nach seiner Ernennung zum Premierminister legte Kamal sein Amt nieder, um schwerere Auseinandersetzungen mit seinem Bruder zu vermeiden. Das Verhältnis war untragbar geworden, sie waren nur selten einer Ansicht, und jede Meinungsverschiedenheit entfachte neue Unruhe. Kamal spürte, dass Sauds Wut tieferliegende Gründe hatte und sich nicht auf Regierungsfragen beschränkte. Überzeugt, dass er nichts gegen diesen Hass ausrichten konnte, zog er sich mehr und mehr zurück, trotz der Beschwerden und Vorhaltungen der Familie, insbesondere seiner Mutter Fadila.
Dubois räusperte sich und bot Kamal noch einen Kaffee an. Dieser willigte ein und reichte ihm seine Tasse.
»Sag mal«, wechselte der Botschafter das Thema, »wie geht es Ahmed?«
»Gut. Er war mit mir in Genf, du weißt schon, wegen der OPEC-Geschichte. Danach ist er zurück nach Boston geflogen. Er hat noch einige Examen vor sich.«
Dubois sah davon ab, auf die OPEC und ihre Folgen für die arabische Welt zu sprechen zu kommen. Da es sich um eine Initiative von Saud und seinem Minister Tariki handelte, war er sicher, dass Kamal auch über dieses Thema nicht reden würde.
»Wer war die Schönheit, der ich gerade begegnet bin?«, erkundigte sich Kamal und wies zur Tür.
»Meine Sekretärin«, antwortete Dubois und sah ihn ernst an. »Komm bloß nicht auf Gedanken.«
»Bist du etwa schon ihren dunklen Augen verfallen und willst sie für dich haben?«
»Du weißt doch, dass ich Arbeit und Vergnügen strikt trenne.«
»Natürlich!«, entgegnete Kamal und lächelte spöttisch.
8. Kapitel
Die Wanduhr in Francescas Zimmer zeigte elf Uhr abends. Sie war müde, und das Heimweh begann ihr zuzusetzen, wie immer, wenn die Nacht kam. Sie schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln, um nicht länger nachzudenken. Sie würde Marinas Brief beantworten und dann erschöpft ins Bett fallen.
Sie schrieb ihrer Freundin, dass sie noch nicht von einer Beduinenkarawane entführt worden und in einer Oase ihrer Jungfräulichkeit beraubt worden sei. Francesca mochte Marina. Sie war immer zufrieden und optimistisch und hatte die Gabe, andere aufzuheitern. Sie schloss den Brief mit der Bitte um baldige Antwort, weil sie sie immer zum Lachen bringe.
Als sie schon
Weitere Kostenlose Bücher