Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
selbstbewusst.
Mauricio blickte auf und sah sie ernst an. Wegen der unzähligen Termine in Francescas ersten Wochen in Riad hatte er noch keine Zeit gehabt, ihren Lebenslauf aufmerksam zu lesen.
»Ich hätte dich schon im August hier gebraucht«, fuhr der Botschafter fort, »aber es gab eine Verzögerung. Sie wollten eigentlich jemand anderen schicken, aber im letzten Moment, ich weiß nicht, warum, fiel die Wahl auf dich. Ich weiß, dass du im Konsulat in Genf gearbeitet hast. Ich hoffe, du bist nicht unglücklich über die Versetzung. Obwohl die Araber so ganz anders sind als wir, ist es eine faszinierende Kultur, die dir gefallen wird.«
Ja, klar, dachte sie ironisch, und der Zwischenfall am Flughafen kam ihr wieder in den Sinn. Fast hätte sie ihn erwähnt, doch dann schwieg sie lieber. Stattdessen reichte sie dem Botschafter ein Empfehlungsschreiben des Konsuls.
»›Fräulein de Gecco‹«, las Dubois laut vor, »›ist fleißig und intelligent. Sie beherrscht ihre Arbeit perfekt und erledigt ihre Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig.‹ Ich sehe, dein früherer Chef hält große Stücke auf dich. Er wird deinen Weggang bedauern. Tja, tut mir leid für ihn, aber ich freue mich, dass du zu uns gekommen bist. Abgesehen von dem arabischen Dienstpersonal besteht die Botschaft nämlich nur aus dir, dem Finanzbeauftragten, dem Militärattaché und mir. Ich will dir nichts vormachen, Francesca. Deine Arbeit wird nicht einfach sein. Du wirst nicht nur meine persönliche Assistentin sein, sondern des öfteren auch als Sekretärin für die beiden anderen Angestellten einspringen müssen. Außerdem wirst du natürlich fürs Protokoll verantwortlich sein, das heißt, Feste und Konferenzen organisieren, mich darauf hinweisen, wo Gegenbesuche anstehen und wie ich mich dort zu verhalten habe. Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht erschreckt oder eingeschüchtert.«
»Überhaupt nicht«, antwortete Francesca, und der Botschafter lächelte sie zufrieden an.
***
Wenige Wochen später hatte Francesca bereits das Gefühl, schon seit langem mit Mauricio Dubois zusammenzuarbeiten. Zu wissen, dass ihr Chef auch mit ihr zufrieden war, beruhigte sie sehr, denn er war zwar geduldig und höflich, aber auch anspruchsvoll und detailversessen. Er gab minutiöse Anweisungen, erläuterte Begriffe immer wieder und wurde nicht ungehalten, wenn man ihn fünfmal dasselbe fragte. Aber wenn es um Ergebnisse ging, erwartete er Perfektion.
»Ein Treffen mit dem französischen Konsul, ein Essen im Ölministerium, die liegengebliebene Korrespondenz … Mein Gott!«, rief Francesca. »Es ist unmöglich, das alles zu schaffen.« Sie versuchte, den Kalender zu entzerren und die Termine auf die restliche Woche zu verteilen, obwohl sie wusste, dass die kommenden Tage genauso vollgepackt waren wie dieser Montag.
Auch auf sie selbst wartete ein harter Arbeitstag. Sara, Yamile, die Köchin, und Kasem, der Chauffeur des Botschafters, waren ihr dabei eine unschätzbare Hilfe. Sie war von Anfang an gut mit den dreien zurechtgekommen. Die sanfte, ruhige Sara erinnerte sie an ihre Mutter, Yamile, ein etwas zerstreutes, unbesonnenes Mädchen, aber stets hilfsbereit und arbeitswillig, amüsierte sie mit ihren Einfällen, und der gutmütige alte Kasem kam ihr so gar nicht wie ein Araber vor. Malik gegenüber empfand sie anders. Sie mochte seinen verschlagenen Blick und sein übellauniges Gesicht nicht, das aussah, als würde er ihr ständig etwas vorwerfen, und nahm ihn lieber nicht in Anspruch. Seine Worte am Flughafen – »Mein Name ist Malik bin Kalem Mubarak. Ich bin von nun an Ihr Fahrer und stehe zu Ihrer persönlichen Verfügung« – waren offensichtlich nur eine Floskel gewesen. Auf seine Chauffeursdienste verzichtete Francesca. Sie vermied es, das Haus zu verlassen, denn dann war sie gezwungen, die stickige schwarze abaya zu tragen, den schwarzen Umhang, mit dem sich die saudischen Frauen von Kopf bis Fuß verhüllten. Wenn ihr gar nichts anderes übrigblieb, wandte sie sich lieber an Kasem. Mit der Zeit übernahm Malik Fahrten und Aufträge für den Botschafter oder die beiden Attachés, für die er lieber zu arbeiten schien, und verbrachte den Großteil des Tages außerhalb der Botschaft. Francesca hätte ihn gefeuert, hätte sie nicht gewusst, dass er auf Empfehlung des Hauses Saud da war, jener Dynastie, die seit 1932 in Saudi-Arabien herrschte.
»Entschuldigung, Mademoiselle, darf ich reinkommen?«
»Ja, komm nur rein,
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