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Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)

Titel: Was deine Augen sagen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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schließlich doch zu Mauricio und Jacques hinunter. Das Essen verlief ohne größere Vorkommnisse. Francesca achtete gar nicht mehr auf die verkniffene Miene ihres Chefs und Méchins vergebliche Versuche, die Stimmung aufzulockern, sondern hing weiter ihren Gedanken nach, die im Laufe des Tages so viele Stimmungswechsel bei ihr bewirkt hatten.
    Das Geräusch eines Autos in der Einfahrt und kurz darauf Kamals Stimme, der an der Haustür Anweisungen gab, ließen Méchin verstummen und brachten Francescas Blick zum Strahlen. Al-Saud betrat das Esszimmer in einem weißen Seidenmantel und einer eleganten kufiya , die Francesca noch nicht an ihm kannte. Er grüßte auf orientalische Weise und entschuldigte sich für sein Fehlen beim Abendessen. Er gab keine Erklärungen, und keiner wagte es, ihn danach zu fragen.
    »Ich hoffe, es ist alles zu eurer Zufriedenheit. Wir nehmen den Kaffee später im Salon«, setzte er hinzu und zog sich dann auf sein Zimmer zurück.
    Francesca sah ihm nach, bis er durch die Tür verschwunden war. Erst als seine Schritte nicht mehr zu hören waren, kam wieder Leben ins sie. Kamal war distanziert und unzugänglich gewesen, wie die ersten Male in der Botschaft. Sie entschuldigte sich bei Méchin und Dubois und verließ das Esszimmer. Draußen zog sie die Schuhe mit den hohen Absätzen aus, lief durch die Eingangshalle und rannte die Treppe hinauf. Im Schlafzimmer angekommen, lehnte sie sich gegen ihre Tür und starrte in die Dunkelheit, bis das Gelächter aus dem Erdgeschoss sie aus ihrer Erstarrung riss.
    Sie zog das Nachthemd an und legte sich ins Bett. Ihre Lippen bebten, und ihre Augen schwammen in Tränen. Sie vermisste ihre Mutter. Sie hatte den Eindruck, dass alles ein einziges Chaos war, und wünschte, dass Antonina da wäre, um sich in ihren Schoß zu schmiegen und sie sagen zu hören: » Va tutto bene, figliola mia , es wird alles gut, mein kleines Mädchen.« Und dann würde Fredo kommen und sie mit Küssen überhäufen und sie in seine Arme schließen. Plötzlich hatte sie Sehnsucht nach ihrer Heimatstadt: der Plaza España, dem Bulevar Chacabuco, dem Stadthaus der Martínez Olazábals. Auch Arroyo Seco fehlte ihr, Don Cívico und Doña Jacinta, die Ausritte mit Rex, Sofía, ihr Leben in Argentinien. Sie hätte niemals fortgehen sollen. Ihre überstürzte Flucht war ein Fehler gewesen. Sie brach in Tränen aus und presste das Gesicht ins Kissen, damit man sie nicht hörte.
    Während sie so vor sich hinschluchzte, kam es ihr vor, als ginge jemand durch den Korridor und bliebe vor ihrer Zimmertür stehen. Eine Sekunde später kam Kamal ganz leise herein. Francesca drehte ihm den Rücken zu und stellte sich schlafend in der Hoffnung, dass er sie nicht aufwecken wollte und schnell wieder ging. Aber al-Saud legte den Morgenmantel ab und schlüpfte unter die Bettdecke. Er fasste sie um die schmalste Stelle der Taille und küsste sie auf die Schulter. Francesca spürte seine nackte Brust an ihrem Rücken und sein hartes Glied an ihrem Po und unterdrückte ein Stöhnen. Kamal drehte sie zu sich herum. Als seine Lippen ihre Wange streiften, hielt er inne.
    »Du weinst ja«, sagte er besorgt. »Was hast du denn? Tut dir etwas weh?«
    »Nein.«
    »Du hast dich noch nicht von heute Nacht erholt«, vermutete er.
    »Das ist es nicht«, beteuerte sie.
    »Was hat meine Prinzessin dann?«
    Francesca klammerte sich an seinen Hals und ließ ihren Tränen freien Lauf. Kamal lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes und ließ sie ihr Leid klagen: Dass sie ihre Mutter und ihren Onkel Fredo vermisse, dass sie nach Córdoba zurückwolle, dass sie ihre Freunde brauche, ihre Pferde, ihre vertrauten Dinge und Orte.
    »Warum bist du weggefahren und hast mich den ganzen Tag hier allein gelassen?«, warf sie ihm vor. »Ich habe mich einsam gefühlt und mich gelangweilt. Heute hätte ich dich mehr gebraucht denn je.«
    »Verzeih mir. Jetzt ist mir klar, dass es nicht sehr aufmerksam von mir war, aber ich dachte nicht, dass es dir etwas ausmachen würde. Ich hatte wichtige Dinge zu erledigen und wollte sie nicht um einen weiteren Tag aufschieben. Hat Sadun dir nicht ausgerichtet, dass ich nach Dschidda fahre und wahrscheinlich nach dem Abendessen wieder zurück bin?«
    »Sadun spricht in letzter Zeit nicht mehr mit mir.«
    »Aha.«
    »Und Mauricio und Jacques auch nicht.«
    »Ich weiß, Francesca, aber du musst dir keine Sorgen machen. Überlass das alles mir. Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich heute vermisst

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