Was deine Augen sagen: Roman (German Edition)
muss ein Geheimnis bleiben. Niemand aus meiner Familie darf davon erfahren.«
»Es ist mir gleichgültig, nach welchem Ritus ich heirate«, versicherte sie, doch dann dachte sie an Antonina und an die Standpauke, die sie ihr halten würde. »Aber ich würde es wegen meiner Mutter tun, damit sie mir keine Vorhaltungen macht. Sie ist streng katholisch.«
»Ja, mein Herz, ganz wie du willst.«
»Ich wäre gerne schon in der Oase«, sagte Francesca noch einmal, an die Brust ihres Geliebten geschmiegt.
»Morgen wirst du das wahre Herz meines Landes kennenlernen, den Stamm, aus dem das hervorging, was wir heute Saudi-Arabien nennen.«
***
Am nächsten Morgen wurde Francesca von einem Klopfen an der Tür geweckt. Sie fand ihr Nachthemd vor dem Bett und schlüpfte rasch hinein. Dann warf sie den Morgenmantel über und rief »Herein!«. Sadun kam mit einem Frühstückstablett, und der freundliche Ausdruck in seinem dunklen Gesicht verwirrte sie.
»Guten Morgen, Mademoiselle. Ich hoffe, Sie hatten eine wunderbare Nacht«, sagte er in gebrochenem Französisch und stellte das Tablett auf dem Bett ab. »Wünschen Sie Kaffee oder Schokolade? Ich empfehle Ihnen dieses Dattelgebäck, es ist meine Spezialität. Frühstücken Sie in Ruhe, während ich Ihnen ein Bad einlasse. Danach helfe ich Ihnen beim Packen. Der Herr Kamal hat mir aufgetragen, Sie zu wecken und Ihnen zu sagen, dass er in Kürze bei Ihnen sein wird. Er ist um fünf Uhr aufgestanden und hat mit den Vorbereitungen für die Fahrt nach Ramses begonnen. Im Moment macht er die Pferde bereit.«
Sadun verschwand im Bad, und Francesca hörte das Quietschen des Wasserhahns und das Plätschern des Wassers in der Wanne. Als er zurückkam, ging er zum Schrank, nahm ihr Reitkostüm heraus und legte es auf die Couch. Dann wienerte er die Stiefel mit einem Lappen.
»Ich besorge Ihnen einen Hut, Mademoiselle. Sie können nicht die ganze Zeit ohne Kopfbedeckung durch die Sonne reiten. Ich bin gleich zurück.«
Francesca sah ihm hinterher. Sie war überzeugt, dass Kamal ein ernstes Wort mit ihm gesprochen hatte, und hatte ein schlechtes Gewissen. Doch dann wurde ihr bewusst, dass sie noch nie gehört hatte, wie er seinen Bediensteten gegenüber laut geworden wäre oder sie schlecht behandelt hätte. Nicht einmal, als eines der Mädchen, die bei Tisch servierten, den Krug mit dem laban auf dem Perserteppich im Esszimmer verschüttet hatte. Aber was auch immer Kamal getan oder gesagt hatte, Sadun war wie ausgewechselt.
14. Kapitel
In ruhigem Schritt ritten sie auf ihren Pferden durch die glutheiße Sonne, die immer unerträglicher wurde, je weiter sie sich vom Meer entfernten und ins Landesinnere vordrangen. Kamal und Mauricio ritten vorneweg. Francesca konnte sehen, dass sie in ein freundschaftliches, vertrautes Gespräch vertieft waren. Sie achtete darauf, ihnen nicht zu nahe zu kommen, um das Einvernehmen nicht zu stören.
Jacques Méchin trottete hinter den beiden her, die nicht merkten, dass die Jahre nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren und der Franzose nicht mehr für derartige Unternehmungen geschaffen war. Aber in jeder Saison einmal zum Lager des Scheichs zu reiten, war eine Tradition, die auch Méchins Gebrechen nicht verhindern konnten. Also wischte sich der Franzose den Schweiß von der Stirn, fächelte sich mit seinem Safarihut Kühlung zu und blickte immer häufiger durch sein Fernglas zum Horizont. Aber er beschwerte sich nicht. Francesca ritt auf Nelly neben Jacques’ Pferd und versuchte, ihn aufzumuntern. Sie reichte ihm die Feldflasche und fragte ihn über Kamals Großeltern und den Stamm aus.
Den Abschluss bildete die Dienerschaft, einige zu Pferde, andere führten hochbeladene Kamele am Zügel. Obwohl Francesca fand, dass es beeindruckende, schöne Tiere waren, hielt sie gebührenden Abstand, denn Sara hatte sie gewarnt, es seien unberechenbare, hinterhältige Biester, die gerne spuckten und bissen.
Malik ritt in der Gruppe der Dienerschaft. Francesca spürte seinen Blick im Nacken wie den heißen Atem eines Raubtiers. Auf Kamals Anwesen in Dschidda waren sie sich nur selten begegnet, weil er völlig damit ausgelastet war, die Aufträge des Botschafters auszuführen. Doch die wenigen Male hatten ausgereicht, um ihr zu bestätigen, was der Chauffeur von ihr hielt. Wenn er sie ansah, schlug ihr eine Welle des Hasses entgegen. Sie fragte sich, ob er von ihrer Beziehung zu dem Prinzen wusste. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie ihn im angeregten
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