Was deine Blicke mir versprechen
»Was macht Ihr da?«
»Ich gucke mir die Sterne an.«
»Nein. Mit Eurem Fuß. Was macht Ihr mit Eurem Fuß?«, wollte er wissen.
Rosamunde sah zu ihrem Fuß hinunter.
»Er hat gewackelt«, erklärte ihr Ehemann, dem aufgefallen war, dass die Bewegung aufgehört hatte, sobald Rosamunde sich ihm zuwandte.
»Oh!« Sie lächelte ihn sanftmütig an. »Das macht er manchmal, bevor ich einschlafe«, murmelte sie. Sie bemerkte diese Eigenart selbst gar nicht mehr. Scheinbar hatte sie die Angewohnheit schon immer. Es half ihr einzuschlafen, wenn sie noch nicht richtig müde war. Rosamunde benötigte wenig Schlaf. Das hatte sie von ihrem Vater geerbt. Vier oder fünf Stunden, mehr brauchte sie nicht pro Nacht.
»Nun, dann lasst es heute Nacht sein!«, befahl Arie und schloss die Augen.
Rosamunde zog eine Grimasse und streckte die Zunge heraus. Eine Bewegung an ihrer anderen Seite ließ sie zu Robert sehen, und sie blickte in sein amüsiertes Gesicht. Er hatte ihre kindische Reaktion scheinbar mitbekommen. Rosamunde spürte, wie sie errötete, und wandte sieh schnell ab, um wieder in den Nachthimmel zu schauen. Als einige Minuten später die ersten Schnarchgeräusche die friedvolle Nacht störten, starrte sie immer noch zu den Sternen hinauf.
Der erste Schnarcher war ihr Ehemann. Das laute, bedrohliche Grummeln ließ Rosamunde förmlich erstarren. Es schien sogar noch gewaltiger als am Morgen, aber das konnte daher kommen, dass er jetzt auf der Seite lag. Er war ihr zugewandt, sein Mund nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, und sein Atem kitzelte an ihrem Ohr. Nach einer Weile stimmte auch Robert in das Schnarchkonzert mit ein.
Seufzend schloss Rosamunde die Augen und versuchte so zu tun, als sei sie taub.
5
»Ist das Shambley?«
Arie starrte gereizt auf Rosamundes Hinterkopf. Alles an ihr schien ihn heute zu ärgern. Es begann bereits am Morgen. Obwohl er noch vor dem Morgengrauen erwachte, wie er es sich vorgenommen hatte, war seine Frau bereits auf und davon.
Nachdem er Robert geweckt hatte, sprang er auf und griff schnell nach seinem Schwert, das er während der Nacht neben sich abgelegt hatte. Er warf einen prüfenden Blick in die Gegend, um sich zu überlegen, wo er zuerst suchen wollte. Doch bevor er sich entscheiden konnte, kam seine Frau auf die Lichtung geschlendert. Ihr Gesicht war sauber und glühte vor strahlender Gesundheit. Ihr Haar war noch nass von dem Bad, das sie offensichtlich gerade genommen hatte. Sie hatte ihren Rock leicht angehoben, um darin die Beeren zu transportieren, die sie unterwegs gesammelt hatte. Wie schon am Morgen zuvor, hatte sie die beiden Männer mit widerwärtig guter Laune angelächelt und ihnen einen guten Morgen gewünscht.
Arie konnte nicht sagen, was ihn am meisten geärgert hatte: ihre gute Laune am frühen Morgen, die Tatsache, dass sie wieder einmal vor ihm aufgewacht war, oder dass sie ohne seinen Schutz ein Bad genommen hatte. Er erinnerte sich sehr wohl, wie er Rosamunde am Tage zuvor angeknurrt und ausgeschimpft hatte, und da er das nicht
wiederholen wollte, behielt er die zornigen Worte, die ihm förmlich auf der Zunge brannten, für sich. Wortlos stapfte er in den Wald, um seinen Bedürfnissen nachzukommen, und ließ sie einfach in der Lichtung stehen.
Als er zurückkehrte, hatte sich seine Laune keinesfalls gebessert, und das blieb unverändert. Im Gegensatz dazu war Rosamunde den ganzen Morgen unwahrscheinlich fröhlich, und während man sich die Beeren teilte, schwärmte sie begeistert, welch ein wunderschöner Tag es doch sei. Als sie sich auf den Weg machten, summte sie muntere Liedchen. Bei den Ställen, wo Arie und Robert ihre Pferde wieder in Empfang genommen hatten, begrüßte sie diese wie gute alte Freunde und plauderte fachkundig - nach Aries Geschmack viel zu freundlich - mit dem Stallbesitzer. Sie war wirklich in ausgezeichneter Form, und das machte ihn wahnsinnig.
»Aye. Das ist Shambley«, antwortete sein Freund.
»Wirklich nett«, sagte sie, woraufhin Robert und Arie einen viel sagenden Blick tauschten.
Shambley als nett zu bezeichnen, war eine grenzenlose Untertreibung. Shambley konnte man nur überwältigend nennen. Erbaut aus silbergrauem Stein, war es umschlossen von einem dichten Wald und schien förmlich auf dem kristallklaren Wasser des Burggrabens zu schweben. Völlig gleichgültig, von welcher Seite man sich näherte oder von welchem Winkel man sie betrachtete, die Burg war prachtvoll.
Kopfschüttelnd trieb Arie sein Pferd
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