Was der Hund sah
soliden, aber wenig glamourösen Admiral Harold R. Stark als Chef der Seeoperationen abgelöst und den legendären Ernest Joseph King an dessen Stelle gesetzt. »Er war ein Realist mit der Arroganz eines Genies«, schreibt Ladislas Farago in seinem Buch The Tenth Fleet (Die Zehnte Flotte), der Geschichte des Kriegs gegen die deutschen U-Boote im Zweiten Weltkrieg. »Sein Glaube an sich selbst, an sein umfassendes Wissen in Fragen der Seefahrt und an die Richtigkeit seiner Ideen war grenzenlos. Anders als Stark, der Inkompetenz in seinem Umfeld tolerierte, duldete King keine Narren.«
In der Marineführung gab es mit anderen Worten viele Talente. Was fehlte, war die richtige Organisation. In seinem Buch Military Misfortunes in the Atlantic (Militärische Missgeschicke im Atlantik) schreibt der Militärhistoriker Eliot A. Cohen:
Um einen Anti-U-Boot-Krieg erfolgreich führen zu können, mussten Analysten Bruchstücke von Informationen, Richtungsangaben, Feindsichtungen, Entschlüsselungen und Informationen über U-Boot-Angriffe zusammentragen, um den Einsatz von Kriegsschiffen, Flugzeugen und Konvois zu koordinieren. Diese Synthese musste in Echtzeit erfolgen, innerhalb von Stunden und manchmal sogar Minuten.
Die Briten lösten diese Aufgabe vorbildlich, denn sie hatten ein zentralisiertes Operationssystem. Die Kommandanten der Royal Navy bewegten ihre Schiffe wie Schachfiguren über den Atlantik, um die »Wolfsrudel« auszutricksen. Admiral King war jedoch ein überzeugter Verfechter der Dezentralisierung und vertrat die Auffassung, ein Vorgesetzter solle seinen Untergebenen nie sagen, was sie zu tun hatten und wie sie es zu tun hatten. Heute würde man ihn als Vertreter des Loose-Tight-Management bezeichnen, wie es die McKinsey-Berater Thomas J. Peters und Robert H. Waterman in ihrem Bestseller Auf der Suche nach Spitzenleistungen aus dem Jahr 1982 beschreiben. Doch damit spürt man keine U-Boote auf. Im Jahr 1942 gab sich die amerikanische Marine schlau, verließ sich vor allem auf technisches Know-how und weigerte sich hartnäckig, operative Lektionen von den Briten anzunehmen. Doch der Marine fehlte die Organisationsstruktur, die notwendig war, um das technische Know-how auf das Schlachtfeld zu übertragen. Erst mit der Einrichtung der 10. Flotte - einer einzigen Einheit, die den Anti-U-Boot-Krieg im gesamten Atlantik koordinierte - wendete sich das Blatt. In den anderthalb Jahren vor der Gründung der 10. Flotte im Mai 1943 versenkte die amerikanische Marine insgesamt 36 U-Boote. In den sechs Monaten danach waren es 75. »Mit der Schaffung der 10. Flotte wurden nicht mehr Talente in den Anti-U-Boot-Krieg geholt als vorher«, schreibt Cohen. »Aufgrund ihres Auftrags und ihrer Organisationsstruktur sorgte sie jedoch sehr wohl dafür, dass diese Talente weitaus effektiver zusammenarbeiteten als zuvor.« Der Talentmythos geht davon aus, dass Menschen ein System intelligent machen. Meistens ist es genau andersherum.
5.
Unter den erfolgreichsten Unternehmen der Vereinigten Staaten finden sich zahlreiche Beispiele für dieses Prinzip. Die Fluggesellschaft Southwest Airlines stellt nur wenige MBAs ein, zahlt ihren Managern verhältnismäßig bescheidene Gehälter, die sich nach der Erfahrung, nicht nach der Genialität richten. Trotzdem, oder genau deswegen, ist Southwest die mit Abstand erfolgreichste Fluggesellschaft der Vereinigten Staaten und hat eine Organisationsstruktur geschaffen, die weit effizienter ist als die ihrer Konkurrenten. Bei Southwest dauert der Turnaround, die Vorbereitung einer gelandeten Maschine für den nächsten Start - ein wichtiger Produktivitätsindex - im Durchschnitt zwanzig Minuten und erfordert vier Mitarbeiter des Bodenpersonals und zwei am Gate. (Zum Vergleich: Bei United Airlines dauert der Turnaround rund 35 Minuten und erfordert zwölf Mitarbeiter des Bodenpersonals und drei am Gate.)
Eine der kritischen Phasen in der Geschichte des Einzelhandelsriesen Wal-Mart war das Jahr 1976, als Sam Walton aus dem Ruhestand zurückkehrte und seinen Nachfolger Ron Mayer, den er persönlich ausgewählt hatte, wieder aus dem Unternehmen drängte. Mayer war knapp über vierzig Jahre alt, ehrgeizig, charismatisch und ein »Finanzwunderkind«, wie ein Walton-Biograf schreibt. Doch Walton beobachtete, dass Mayer im krassen Widerspruch zur egalitären Wal-Mart-Kultur in der Führungsetage »differenzierte und affirmierte«, wie es im McKinsey-Jargon so schön heißt. Mayer ging, und Wal-Mart
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