Was der Hund sah
Art der Mitarbeiter, die wir beschäftigen, noch verstärkt«, erklärte Skilling einem Team von McKinsey-Beratern. »Unser System sorgt nicht nur dafür, dass die Arbeit der Manager spannender wird, es lenkt unser Geschäft auch in eine Richtung, die unsere Manager am spannendsten finden.« Und noch mal Skilling: »Wenn zahlreiche Mitarbeiter in eine neue Sparte drängen, dann ist das ein eindeutiges Zeichen, dass es sich um eine attraktive Chance handelt ... Wenn es einer Sparte schwerfällt, neue Mitarbeiter zu finden, dann ist das ein gutes Zeichen, dass Enron nicht auf diesem Gebiet aktiv werden sollte.« Sollte ein CEO nicht eher sagen, wenn eine Sparte keine neuen Kunden findet, ist das ein Zeichen, dass sein Unternehmen hier nicht aktiv werden sollte? Ein Unternehmen sollte sein Geschäft in eine Richtung lenken, die seine Manager für gewinnträchtig halten. Aber bei Enron mussten die Bedürfnisse der Kunden und Aktionäre hinter die Bedürfnisse der Besten zurücktreten.
Anfang der neunziger Jahre schrieben die Psychologen Robert Hogan, Robert Raskin und Dan Fazzini einen genialen Aufsatz mit dem Titel »The Dark Side of Charisma« (Die Schattenseite des Charisma), in dem sie gescheiterte Manager in drei Typen einteilen. Der erste ist der Beliebte, der mühelos in einem Unternehmen aufsteigt, weil er nie kontroverse Entscheidungen fällt und sich keine Feinde macht. Ein zweiter ist der »Homme de Ressentiment«, der unter der Oberfläche brodelt und gegen seine Feinde intrigiert. Der Interessanteste der drei ist jedoch der Narziss, dessen Energie, Selbstbewusstsein und Charme ihn unaufhaltsam die Karriereleiter hinauf befördern. Narzisse sind miserable Manager. Sie weisen jeden Vorschlag zurück, weil sie meinen, sie würden andernfalls schwach wirken, und weil sie ohnehin nicht glauben, dass sie von anderen lernen können. »Narzisse neigen dazu, sich mehr Erfolge auf die Fahnen zu schreiben, als ihnen zustehen«, stellen Hogan und seine Mitautoren fest, »und aus eben diesem Grund scheuen sie sich davor, Verantwortung für ihre Fehler und Schwächen zu übernehmen«. Sie führen weiter aus:
Narzisse äußern ihr Urteil in der Regel mit größerer Selbstsicherheit als andere Menschen, ... weshalb diese dazu neigen, sich ihnen anzuschließen. Das hat wiederum zur Folge, dass Narzisse in Gruppensituationen über einen unverhältnismäßig großen Einfluss verfügen. Aufgrund ihrer Selbstsicherheit und ihres übersteigerten Bedürfnisses nach Anerkennung neigen sie zur »Selbsternennung«, das heißt, wenn in einer Gruppe oder Organisation eine Führungslücke entsteht, eilen Narzisse herbei, um sie zu füllen.
Tyco und World-Com waren gierige Unternehmen: Sie waren nur an kurzfristigen Gewinnen interessiert. Enron dagegen war das narzisstische Unternehmen: ein Unternehmen, das sich mehr Erfolge auf die Fahnen schrieb, als ihm zustand, das die Verantwortung für seine Fehler ablehnte, das uns geschickt seine Genialität vorgaukelte, und das diszipliniertes Management durch Selbsternennung ersetzte. In Das revolutionäre Unternehmen spürt Hamel einen Topmanager von Enron auf, dessen Großspurigkeit und Selbstzufriedenheit heute wie ein Abgesang auf den Kampf um die Besten wirken:
»Es ist unmöglich, die Atome in einem Fusionsreaktor zu kontrollieren«, sagte Ken Rice, damals Direktor von Enron Capital and Trade Resources (ECT), des größten Erdgas- und Stromhändlers der Vereinigten Staaten. Bekleidet in einem schwarzen T-Shirt, Jeans und Cowboystiefeln zeichnete er ein Rechteck an die Tafel seines Büros, das seine Sparte als Atomreaktor darstellte. Kleine Kreise im Reaktor standen für die Auftragsakquisiteure, die Lassoschwinger, deren Aufgabe es war, Abschlüsse zu tätigen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. An jeden Kreis zeichnete Rice einen Pfeil, und jeder dieser Pfeile zeigte in eine andere Richtung. »Wir lassen unsere Leute in jede Richtung gehen, die sie einschlagen wollen.«
Die Unterscheidung zwischen dem gierigen und dem narzisstischen Unternehmen ist deshalb so wichtig, weil unsere eigene Wahrnehmung unserer Leistungen auf unser Verhalten zurückwirkt. Carol Dweck, Psychologin an der Columbia University, fand heraus, dass wir eine von zwei möglichen Ansichten über unsere Intelligenz vertreten: Wir halten sie entweder für eine fest vorgegebene Eigenschaft oder für eine veränderbare Größe, die wir im Laufe der Zeit entwickeln können. Dweck führte einmal eine Untersuchung
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