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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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kein Bestandteil des Gerichts. Das heißt, seine Dosierung liegt ganz in der Hand des Essers, nicht in der des Kochs. »Elizabeth Rozin hat einen Satz geschrieben, der mir besonders gut gefällt«, sagte Smith. Rozin ist Nahrungsmitteltheoretikerin und Autorin des Aufsatzes »Ketchup and the Collective Unconscious« (Ketchup und das kollektive Unbewusste). Den Schlusssatz ihres Aufsatzes hat Smith einem seiner Bücher über Ketchup als Motto vorangestellt: Rozins Ansicht nach ist Ketchup »der wahre kulinarische Ausdruck des amerikanischen Schmelztiegels; seine unvergleichliche Fähigkeit, jedem Gaumen etwas zu bieten, macht ihn zum Esperanto der Küche.« Und hier kommen Henry Heinz und der Kampf um Benzoesäure ins Spiel: Mit seinem Sieg über die alte Ketchup-Garde veränderte Heinz den Geschmack des Ketchup und machte ihn zu einem weltumspannenden Phänomen.
4.
    Der menschliche Gaumen unterscheidet fünf grundlegende Geschmacksrichtungen: salzig, süß, sauer, bitter und umami. Umami ist der proteinartige, runde Geschmack von Hühnersuppe, Pökelfleisch, Fischsuppe, reifem Käse, Muttermilch, Sojasoße, Pilzen, Seetang oder gekochten Tomaten. »Umami sorgt für einen vollen Geschmack«, erklärt Gary Beauchamp, Leiter des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia. »Wenn Sie einer Suppe Umami beigeben, dann kommt sie Ihnen dicker vor. Es verleiht ihr größere sinnliche Wucht. Mit Umami verwandelt sich eine Suppe von einer Salzbrühe in ein richtiges Essen.«
    Als Heinz zu reifen Tomaten überging und den Fruchtanteil erhöhte, verwandelte er den Ketchup in erster Linie in eine beachtlichen Umamiquelle. Dann steigerte er die Essigkonzentration und machte seinen Ketchup doppelt so sauer wie die Produkte der Konkurrenz. Damit bekam Ketchup eine saure Note, ein weiterer der fünf Grundgeschmäcker. In den Ketchups nach der Benzoesäure war schließlich auch der Zuckergehalt doppelt so hoch. Damit war der Ketchup außerdem noch süß. Und salzig und bitter hatte er schon immer geschmeckt. Das ist keine Kleinigkeit. Wenn Sie einem Kleinkind Suppe zu essen geben, und die Suppe den Geschmacksverstärker Glutamat enthält (eine Aminosäure, die rein nach Umami schmeckt), dann wird das Kleinkind nur noch Glutamat-Suppe verlangen, genau wie es lieber Zuckerwasser trinkt als reines Wasser. Salz, Zucker und Umami sind Signale, die uns Informationen über unser Essen liefern, beispielsweise über den Kaloriengehalt oder im Falle des Umami über den Anteil an Proteinen und Aminosäuren. Heinz hatte etwas erfunden, das alle fünf Knöpfe auf einmal drückte. Der Geschmack von Heinz-Ketchup beginnt auf der Zungenspitze, wo unsere ersten Rezeptoren für süß und salzig sitzen, setzt sich über die Seiten fort, wo die sauren Geschmäcker am stärksten wahrgenommen werden, und erreicht dann den hinteren Teil mit einem langen Höhepunkt von umami und bitter. Wie viele Produkte in den Supermarktregalen sprechen ein ähnlich breites Spektrum unserer Sinne an?
    Vor einigen Jahren ließ die H. J. Heinz Company eine großangelegte Marktstudie durchführen, in deren Rahmen Marktforscher Verbraucher zu Hause aufsuchten und beobachteten, wie diese den Ketchup verwendeten. »Ich erinnere mich an den Besuch bei einer Familie«, erzählt Casey Keller, der bis vor kurzem Leiter der Wachstumsabteilung bei Heinz war. »Die Familie hatte zwei Kinder im Alter von drei und sechs. Die Kinder wollten Ketchup, und die Mutter hat ihn aus dem Schrank geholt. Es war eine Literflasche. Der Dreijährige wollte die Flasche selbst ergreifen, doch die Mutter hat sie ihm abgenommen und gesagt: ›Nein, das tust du nicht.‹ Sie hat dem Kind einen kleinen Klecks Ketchup gegeben. Dem Kleinen hat das überhaupt nicht gepasst.« Für Heinz war diese Szene ein echtes Aha-Erlebnis. Ein fünfjähriges Kind konsumiert im Durchschnitt rund 60 Prozent mehr Ketchup als ein vierjähriges Kind, und das Unternehmen erkannte, dass es den Ketchup in Flaschen füllen musste, mit denen schon Kleinkinder umgehen konnten. »Ich habe einen vierjährigen Sohn, und in dem Alter hat man normalerweise keine Kontrolle über das, was auf den Teller kommt«, erklärt Keller. »Aber ein Vierjähriger hat Kontrolle über den Ketchup. Das ist der Teil des Esserlebnisses, das er selbst gestalten kann.« So kam Heinz auf Flaschen aus Weichplastik mit einer spitzen Tülle. In Familien, die Ketchup in dieser Flasche kaufen, stieg der Ketchupkonsum um 12 Prozent.
    Aus dieser Szene am

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