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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Cesar. »Zwei Frauen gegen einen, blablabla. Ich musste den Kampf im Kopf abstellen. Das war schwer. Aber dann habe ich es begriffen. Frauen haben ihre eigene Psychologie.«
    Cesar konnte einen wütenden Straßenköter beruhigen, aber zumindest am Anfang hatte er nicht die geringste Ahnung, wie seine Frau tickte. »Cesar hat sich mit Hunden umgeben, weil er zu Menschen keinen Kontakt bekommen hat«, sagt Illusion. »Seine Hunde haben ihm das Gefühl gegeben, dass er irgendwo dazugehört. Mit Menschen hatte er wenig zu tun. Es ist ihm schwer gefallen, das loszuwerden.« In Mexiko, auf dem Bauernhof seines Großvaters, waren Hunde Hunde und Menschen waren Menschen: Jeder wusste, wo er hingehörte. In den Vereinigten Staaten wurden Hunde wie Menschen behandelt, und die Besitzer hatten die Hierarchie zwischen Mensch und Tier vergessen. Sugars Problem hieß Lynda. JonBees Problem hieß Scott. Cesar sagt, der Geistesblitz in der Praxis der Paartherapeutin sei der wichtigste Moment seines Lebens gewesen, weil er plötzlich verstanden habe, dass er mehr sein musste als ein Hundeflüsterer, wenn er im Leben Erfolg haben wollte. Er musste ein Menschenflüsterer werden.
    In einer seiner Sendungen begegnete Cesar einem Chihuahua namens Bandit. Mit seinem dicken, diamantenbesetzten Halsband sah Bandit aus wie ein Rapper. Seine Besitzerin war Lori, eine üppige Frau mit ovalem Gesicht und großen, flehenden Augen. Bandit war außer Rand und Band, er terrorisierte Besucher und bedrohte andere Hunde. Er hatte bereits drei Trainer verschlissen.
    Lori empfing Cesar auf ihrer Wohnzimmercouch mit Bandit auf dem Schoss. Neben ihr saß ihr Sohn, ein Teenager namens Tyler.
    »Zwei Wochen nach unserem ersten Besuch beim Tierarzt hat er plötzlich eine Menge Haare verloren«, erzählte Lori. »Sie haben mir gesagt, er hätte die Räude.« Sie hatte Bandit als einen Rassehund gekauft, doch als sie die Abstammung überprüfen ließ, stellte sich heraus, dass er von einer Hundefarm stammte. »Er hatte nie Kontakt mit Menschen«, fuhr sie fort. »Wir haben ihn drei Monate lang einmal pro Woche eingesprüht, bis die Symptome weg waren.« Während sie sprach, legte sie ihre Hände zärtlich schützend um Bandit. »Er hat sich immer in meiner Bluse versteckt und seinen Kopf auf mein Herz gelegt. Da ist er dann geblieben.« Sie bekam feuchte Augen. »Hier an meiner Brust.« »Und Ihr Mann hat da mitgespielt?«, fragte Cesar. Er sah Lori an, nicht Bandit. Das war der neue Cesar, der verstanden hatte, was der alte Cesar noch nicht wusste.
    »Er war doch unser Baby. Er hat unsere Pflege und Hilfe gebraucht, und er hatte immer solche Angst.« »Haben Sie immer noch das Gefühl, dass Sie ihn bemitleiden müssen?« »Ja. Er ist doch so süß.«
    Cesar schien verwundert. Er verstand nicht, warum ihr Hund ihr immer noch leidtat.
    Lori versuchte, es ihm zu erklären. »Er ist doch so klein und hilflos.« »Aber glauben Sie, dass er sich wirklich hilflos fühlt?«
    Lori hielt schützend die Hände über den Hund und streichelte ihn. Tyler sah erst Cesar an, dann seine Mutter, und dann Bandit. Bandit spannte die Muskeln an. Tyler streckte den Arm aus, um Bandit zu berühren, doch der sprang aus Loris Umarmung und attackierte ihn unter Bellen, Schnappen und Knurren. Erschrocken griff Lori nach dem Hund und - jetzt kam das Entscheidende - legte die Hände in einer besorgten, zärtlichen Geste um Bandit und hob ihn zurück auf ihren Schoß. Das ganze dauerte nicht länger als eine Sekunde.
    Cesar stand auf. »Lass mich bitte da sitzen«, sagte er, und auf eine Handbewegung hin rutschte Tyler zur Seite. »Es gibt genug Hunde, die Menschen angreifen, und weil sich die Menschen nicht wehren, werden sie immer selbstverliebter. Es geht nur um ihn. Er ist der Chef.« Für seine Verhältnisse wirkte Cesar ärgerlich. »Es sieht so aus, als würden Sie den Hund vorziehen, und ich hoffe, das stimmt nicht. Wenn Ihr Sohn Ihren Hund treten würde, dann würden Sie ihn wahrscheinlich bestrafen. Aber wenn der Hund nach Ihrem Sohn schnappt, dann bestrafen Sie ihn nicht.« Cesar sprach nachdrücklich, seine Gesten waren sicher und unmissverständlich. »Sie müssen nur eins und eins zusammenzählen.«
    Bandit war nervös und wich auf der Couch zurück. Er bellte. Cesar blickt ihn aus dem Augenwinkel an, und Bandit duckte sich. Cesar sprach weiter. Bandit ging auf Cesar los. Cesar stand auf. »Ich muss ihn berühren«, erklärte er und versetzte Bandit einen kräftigen Stoß mit

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